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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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ausmalen konnte, auch ohne sie durchgeschlagen.
    Er schüttelte sich bei dem Gedanken daran, was aus Löchern so alles an die Oberfläche dringen konnte. Gruselgeschichten aus der Kindheit. Reale Erlebnisse aus Basra, Falluja, der Wüste, den Bergen. All diejenigen, die zu lange in einer Baracke gehaust hatten, wussten, woran er dachte. Die Scheiße da unten floss oberhalb der überschwemmten Abflussrohre herum, sobald du auch nur deinen Fuß außerhalb der Zone gesetzt hattest.
     
    Frisch geduscht und sauber, vor dem Fernseher. Neu erstandener DVD -Player in glänzendem Kunststoff. Müdigkeit und Trägheit wechselten einander ab. In den Nächten schlief er immer noch beschissen. Acht Jahre zusammen mit anderen Männern in Zelten, Kasernen, Lagern, beengten Einzimmerwohnungen hinterließen ihre Spuren. Die Einsamkeit traf ihn jeden Abend wie der Rückstoß eines falsch angelegten Schnellfeuergewehrs. Nicht so, dass er völlig ausfreaken würde – eher wie ein Hämmern in der Seele, das die Harmonie störte.
    Er nahm keine von den Pillen, die Mama gestern mitgebracht hatte: Nitrazepam. Wirksames Zeug für ruhigere Nerven, angenehmere Gedanken, besseren Schlaf. Heute musste er aufnahmefähig sein. Diejenigen, die er treffen würde, merkten es sofort an den Pupillen, ob man etwas nahm.
    Er sah sich
Taxi Driver
an. Im Moment sicherlich nicht gerade das Richtige für ihn. Robert de Niro mit psychotischen Schießübungen vor dem Spiegel. De Niro im Café mit der Hure – einer blutjungen Jodie Foster. Der idiotische Shoot-out im Treppenhaus. Überall Blut. Es sah nicht besonders echt aus. Künstliche rote Farbe, irgendwie zu dünnflüssig.
    Die Einsamkeit drängte sich auf. Er dachte: Eigentlich ist der Mensch immer einsam. Man kommt seinen Mitmenschen, wie gute Freunde sie auch sein mögen, nicht näher als seinem Zeltnachbarn. Physisch kann das so nahe sein, dass sein übler Mundgeruch einem den Schlaf einer ganzen Nacht raubt. Aber psychisch wird man ihm niemals näher kommen, man könnte ebenso gut aufstehen, sich Hemd und Hosen anziehen und für immer verschwinden. Und der Zeltnachbar würde sich einen verdammten Dreck drum scheren.
    Niklas war einsam. Nur er.
    Gegen den Rest der Welt.
    Er schloss für eine Weile die Augen. Hörte sich die Dialoge des Films an.
    Die Zeit verging so langsam wie während einer Wachschicht da unten. Es war SSDD  – Same Shit, Different Day. Dieselben Angstattacken, nur zur Abwechslung mal in einem Wohnzimmer.
    Bald würde er zur Vernehmung fahren.
     
    In der U-Bahn auf dem Weg in die Stadt. Schweden war ein anderes Land geworden, nachdem er es verlassen hatte – anonymer und zugleich hektischer. Damals kam er sich oft vor, als sei er zu Besuch. Heute war er tatsächlich zu Besuch. Dauerhaft.
    Er dachte an sein Training. Die Messer. Das Reinigen der Waffen. Vertraute Situationen. Entspannende Beschäftigungen. Die Vernehmung beunruhigte ihn eigentlich nicht. Bullen waren sowieso meistens Idioten.
    Zehn Minuten später betrat er die Polizeiwache. Die diensthabende Polizistin an der Rezeption hatte graues Haar und trug einen Mittelscheitel. Verhielt sich wie eine stramme Soldatin. Kein Lächeln, kurze prägnante Fragen. Zu wem wollen Sie? Welche Uhrzeit? Haben Sie eine Telefonnummer?
    Nach fünf Minuten kam ein Polizist und holte ihn ab.
    Der Vernehmungsraum: kahl bis auf ein Poster. Es stellte mehrere Männer dar, die um einen Tisch herum versammelt waren und einander fröhlich zuprosteten. Wahrscheinlich tranken sie Schnaps. Vielleicht war es an Mittsommer. Es war hundert Jahre her, dass Niklas das letzte Mal Mittsommer gefeiert hatte. Der Bulle hatte offenbar versucht, für ein wenig gute Stimmung zu sorgen. Zwei Holzstühle mit Plüschkissen, ein Tisch, der am Boden festgeschraubt war, ein Computer mit einem dazugehörigen Ausweisleser, eine Schnur, die von der Decke herabhing, und an deren unteren Ende ein Drahtmikrophon befestigt war. Der Versuch, eine angenehme Atmosphäre zu verbreiten, nur mäßig gelungen.
    Der Polizist stellte sich vor: »Hej, ich heiße Martin Hägerström. Und Sie sind Niklas Brogren?«
    »Das stimmt.«
    »Tja. Willkommen. Setzen Sie sich doch. Möchten Sie Kaffee?«
    »Nein danke, nicht nötig.«
    Martin Hägerström setzte sich ihm gegenüber. Loggte sich in den PC ein. Niklas betrachtete den Beamten. Jeans, Wollpulli. Der Hemdkragen schaute raus. Zu lange Haare, um ’n richtiger Bulle zu sein. Unruhiger Blick. Schlussfolgerung: Das hier war ein

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