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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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ab.
    Hägerström entfernte das Tuch im Gesichtsbereich.
    Thomas fror. Der Atem aller Anwesenden bildete, ähnlich wie an einem kalten Wintertag im Freien, kleine Wölkchen vor dem Mund, außer bei der Leiche.
    Es gab nicht viel zu sehen. Das Gesicht – ein einziger großer Fleischfetzen. Thomas hatte schon viele Tote gesehen. Tote untersucht. Tote angefasst. Versuchte, bei Toten Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen. Aber noch häufiger hatte er Bilder von Toten gesehen. Zusammengeschlagene, misshandelte, vergewaltigte, verletzte. Fleischwunden, Einschusslöcher, Stichwunden von Messern. Er dachte eigentlich, dass er daran gewöhnt wäre. Dennoch – hier im Leichenschauhaus überkam ihn ein gewisser Ekel. Die Übelkeit kam überraschend. Er wandte das Gesicht ab. Würgte.
    Sein Funkgerät piepte. Zuerst begriff er nicht, es war so eingestellt, dass es lediglich den Funk aus dem eigenen Streifenwagen empfangen konnte. Hägerström sagte: »Es ist Ihres.«
    Thomas meldete sich: »Andrén hier, kommen.«
    »Tja, Ljunggren hier. Du musst jetzt rauskommen. Es ist supereilig. Im Zentrum von Mörby ist ein Ladendieb unterwegs. Wir sind offensichtlich am dichtesten dran.«
    »Ich komm in fünf Minuten. Muss nur noch die Sache hier zu Ende bringen.«
    »Nein, komm sofort. Es ist wirklich eilig.«
    »Ich bin gleich fertig. Ist doch nur ’n Ladendieb.«
    »Jetzt mach schon. Wo bist du genau?«
    »Ich bin immer noch mit Martin Hägerström zusammen. Wir sehen uns die Leiche an.«
    Einen kurzen Moment Stille.
    »Pfeif auf diesen Hägerström. Er soll sie sich allein angucken. Ich warte nicht. Komm jetzt raus.«
    Hägerström warf Thomas einen Blick zu.
    »Ljunggren, wir hören voneinander. Ende.« Thomas schaltete das Funkgerät aus.
    Hägerström sagte nichts. Der Sektionsassistent war gerade dabei, das Tuch vollständig zu entfernen. Es war mit kleinen Klammern befestigt. Dauerte. Thomas fragte sich, ob sie in dieser Einrichtung tatsächlich unterbesetzt wären, wenn der Typ hier es einfach nur auf die Reihe kriegen würde, ein bisschen zügiger zu arbeiten.
    Thomas spürte, wie der Druck im Magen zunahm, unterdrückte den Brechreiz.
    Auf der ausziehbaren Bahre war jetzt der gesamte bleiche Körper zu sehen. Die Obduktionsnähte konnte man nur erkennen, wenn man genauer hinsah. Die Obduzenten hatten ganze Arbeit geleistet.
    Hägerström fragte: »An welchem Arm sagten Sie, haben Sie die Einstiche von den Kanülen gesehen?«
    Thomas trat näher an den rechten Arm heran. Zeigte auf die Stelle.
    Hägerström hob den Arm an. Keine Einstichlöcher zu sehen. Er strich mit der Hand über den Arm des Toten. Thomas fragte sich, wie es sich wohl anfühlte. Dann entdeckte er an der Stelle, über die Hägerström gerade mit der Hand gestrichen hatte: die Löcher.
    Hägerström sagte: »Manchmal muss man die Haut ein wenig auseinanderziehen, um etwas sehen zu können. Schlappschwänze.«
    Thomas kam sich wie ein richtiger CSI -Agent vor.
    Hägerström hob seine Tasche vom Boden hoch. Fingerte darin herum. Nahm eine Digitalkamera zur Hand.
    »Zeit, das zu dokumentieren, was der Rechtsmediziner offensichtlich nicht gesehen hat.«
    Aus dem Obduktionssaal waren Geräusche zu hören. Die Tür wurde mit einem Ruck geöffnet. Ein Mann in Anzug kam herein. Es war Stig Adamsson, Polizeidirektor, Chef der Ordnungspolizei Söderort. Thomas’ Chef.
    Stig Adamsson sagte mit autoritärer Stimme: »Hägerström, Sie haben keine Befugnis, sich hier aufzuhalten. Das gilt auch für Sie, Andrén. Packen Sie diesen eingefrorenen Toten wieder weg.«
    Hägerström nahm es gelassen. Steckte langsam die Kamera wieder zurück ins Futteral.
    »Was soll das denn heißen, Adamsson? Ich leite diese Ermittlungen. Ich untersuche, was ich will und wo ich es will.«
    »Nein, für solche Dinge hier benötigen Sie die Genehmigung des Staatsanwalts. Verdammt, Hägerström, Sie riskieren ein Disziplinarverfahren. Der Tote ist bereits obduziert, und der Rechtsmediziner hat seine Schuldigkeit getan. Da kann man nicht einfach so hereinschneien und nach Gutdünken Leichen aus den Fächern ziehen.«
    »Tut mir leid, aber da bin ich anderer Meinung.«
    »In welcher Weise, wenn ich fragen darf?«
    Hägerströms Stimme wurde zum ersten Mal etwas lauter.
    »Ich weiß nicht, was Sie glauben, hier ausrichten zu können. Aber ich bin es, der die Ermittlungen leitet, und das bedeutet, dass dieser Fall mir unterliegt. Unabhängig davon, ob ich mich hier aufhalten darf, ist es

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