Machen Sie Ihren Kopf fit für die Zukunft
Zelle eine Information bekommt. Sie hat Zuflüsse von 10 000 bis 20
000 anderen Zellen. Erst wenn über diese vielen Kontaktstellen eine bestimmte Anzahl an Signalen bei ihr ankommt, erreichen
die Effekte eine »kritische«, das heißt eine bestimmte Stärke, die eine neue Erregung auslöst. Bekommt die Zelle zu wenige
Anstöße von anderen Zellen, bleibt sie stumm. Entscheidungen brauchen also schon auf der untersten Ebene eine gewisse Menge
an Informationen, um getroffen werden zu können. Sonst bleibt der Input unterschwellig, und nichts tut sich.
Komplexe Entscheidungen haben mehrere Optionen zur Auswahl. |72| Im Gehirn sind dabei viele verstreut liegende Netzwerkbereiche aktiv. Eine bestimmte Konstellation bekommt so viel aktivierende
Zuflüsse, dass sie ab einem gewissen Moment die ganze Steuerung dominiert. Ähnlich einem Fischschwarm, der genau in dem Augenblick
als Ganzes seine Richtung ändert, in dem eine bestimmte Anzahl an Fischen sie schon eingeschlagen hat. Das ist der Moment
der Entscheidung. Es passiert etwas anderes als vorher, doch eine ganze Weile war nicht genau abzusehen, in welche Richtung
es gehen würde.
Entscheidungen sind also Prozesse, die sich in einem System abspielen – sei es eine Zelle, ein Fischschwarm oder das riesige
Neuronennetzwerk des Gehirns. Bei einem Entscheidungsprozess laufen die folgenden Schritte ab.
Input:
Das System nimmt eine Information auf.
Verarbeitung:
Diese Information wird verarbeitet, indem das Gehirn sie mit gespeichertem Wissen vergleicht und daran erkennt, ob sie etwas
Gutes oder Schlechtes bedeutet (Bewertung), und abschätzt, wie stark dieses Gute oder Schlechte ist (Gewichtung).
Output:
Aus den Ergebnissen der Verarbeitung wird ein Schluss gezogen und ein entsprechend geändertes Verhalten ausgelöst.
Wie Entscheidungen gefällt werden: So arbeitet das Gehirn
Wie Sie im Folgenden sehen werden, gibt es verschiedene Formen der Entscheidungsfindung, aber das Muster von Input – Verarbeitung
– Output finden wir bei allen Entscheidungen wieder: bei automatischen Entscheidungen, bewussten Verstandesentscheidungen,
intuitiven emotionalen Entscheidungen und den »richtigen« Entscheidungen, bei denen rationale und intuitive Verarbeitungsschritte
genutzt werden.
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Automatische Steuerung
Einfache »Wenn-dann«-Entscheidungsprozesse sind am Werk, wenn das Gehirn ganz automatisch aus der Technikzentrale im Hirnstamm
Körpervorgänge steuert, die ohne unser Bewusstsein ablaufen. Es entscheidet selbstständig, dass wir unwillkürlich einschlafen,
wenn wir sehr lange wach waren, oder löst Schutzreflexe wie das Augenlidblinzeln aus, gegen die wir uns nicht wehren können.
Hierbei orientiert sie sich an bewährten genetisch einprogrammierten Kriterien und organisiert fest verdrahtete Handlungsmuster.
Der Nachteil dieser sehr zuverlässigen Steuerung: Sie ist unflexibel und eignet sich daher nur für ein Set an bestimmten Einflüssen.
Verstandesmäßige Entscheidungen
Die meisten Menschen glau ben, dass Entscheidungen mit dem logischen Verstand gefällt werden. So wie wir beim Lösen einer Matheaufgabe oder bei der
Konstruktion eines grammatikalisch richtigen Satzes auf Lateinisch vorgehen: Aufgabe erkennen, Verknüpfungsregeln anwenden
und Ergebnis präsentieren. Für dieses verstandesmäßige Vorgehen müssen die zu verarbeitenden Informationen im Arbeitsspeicher
vorgehalten und immer wieder ins Bewusstsein eingeblendet werden. Wie schon erwähnt, hat der Arbeitsspeicher seine natürlichen
Begrenzungen. Er verbraucht zum einen sehr viel Energie in Form von Traubenzucker, zum anderen kann er nur drei bis sieben
Fakten gleichzeitig vorhalten und nur zwei gleichzeitig verarbeiten. Ist mehr zu bedenken, werden uns die Dinge immer wieder
nacheinander eingeblendet, was relativ viel Zeit benötigt.
Die Vorgänge des logischen Denkens und Entscheidens finden in der Region des Stirnhirns statt. Sie gehört zu den Spätentwicklern
des Gehirns. Bei Schulkindern beginnt sie im Alter von circa 10 Jahren zu erwachen. Sie werden plötzlich pfiffig, clever und
können einen schnell aufs Glatteis führen, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit die Verknüpfungsregeln zwischen Fakten erkennen
und anwenden. Doch würden Sie ihnen weitreichende Entscheidungen über ihr zukünftiges Leben zutrauen? Logische Entscheidungen
haben |74| nur ein begrenztes Anwendungsgebiet. Etwas Wichtiges fehlt: Die emotionale Erfahrung.
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