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Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Titel: Machen Sie sich frei Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Unmenge Briefe und Berichte für Sie.«
    Mit einem Seufzer übernahm der Dean die Morgenpost. »Komitees, Komitees... heutzutage scheint es mehr Angenda als Angina zu geben.«
    Sie lächelte. »Gut formuliert, Sir Lionel.«
    Er lächelte zurück. »Danke. Ich begreife nicht, warum die Studenten mir jeden Humor absprechen.«
    Er betrat sein luftiges Privatbüro und setzte sich an den modischen Teakschreibtisch. Einen Augenblick starrte er auf die Papierstöße. Dann zog er aus der untersten Lade, versteckt unter medizinischen Journalen, ein kleines grünes Buch hervor, auf dessen Einband eine goldene Schlange zu sehen war, die sich um einen geflügelten Stab schlingt — das internationale Markenzeichen der Ärzte.
    Der Dean stand auf und hielt das Buch steif vor sich hin. Er räusperte sich. »Ouvrez la bouche. Vous avez de mauvaises dents. öffnen Sie den Mund. Sie haben schlechte Zähne. Comment fonctionnent les intestins? Depuis combien de jours n’êtes-vous pas allé à la selle? Seit wie vielen Tagen waren Sie nicht...?« murmelte er. »Eine verstopfte Bande, diese Franzmänner. Bei dem vielen Knoblauch hätte ich das nicht gedacht.«
    Wie alle englischen Ärzte hatte auch der Dean ein tiefes Mißtrauen gegen die Medizin, wie sie jenseits des Kanals praktiziert wird. Offensichtlich war sie zu stark von Küche und Kirche beeinflußt und vollzog sich jedenfalls in einer Atmosphäre großer Erregbarkeit. Er mußte jedoch widerwillig anerkennen, daß St. Swithin ebenso wie das ganze Land jetzt Mitglied der EWG war, und da er pflichtgetreu einige europäische Kollegen zu der königlichen Eröffnungszeremonie eingeladen hatte, wollte er sich ein wenig Fachjargon aneignen.
    «Prononcez >A<. Sagen Sie >A<. Das wenigstens ist einfach. Le crâchoir. Die Spuckschale. Avez-vouseu la syphilis? Combien de fois? Was für verderbte Menschen diese französischen Patienten sein müssen. Lieu de la blessure, wo wurden Sie verwundet, ja, Miss Duff in, was ist los?«
    »Ein Besucher. Ein Mr. Becket.«
    »Becket? Ich kenne keinen Becket. Gehört er zu den neuen Studenten?«
    »Möglich. Er sagt, er möchte möglichst rasch zu arbeiten beginnen.«
    »Nun, es freut mich immer, wenn ich Eifer anspornen kann. Führen Sie ihn herein.« Der Dean legte das Französischbuch beiseite und streckte die Hand aus. » Bonjour , will sagen guten Morgen.«
    Der Besucher war ein magerer junger Mann von etwa gleicher Größe wie der Dean, sportlich, aber blaß aussehend, mit langem braunem Haar, das ihm auf die Schulter fiel, einem Spitzbart und hervorquellenden grünen Augen. Er trug verblichene Jeans, Sandalen, ein weißes Unterhemd und einen grünen Anorak. Den Dean wunderte das nicht übermäßig. In einer Welt, wo die meisten Jugendlichen aussahen, als seien sie unterwegs zu einem Kostümfest, mußte man sich leider damit abfinden, daß man nicht mehr - wie einst - einen Studenten in Tweedjacke mit schneidender Schärfe fragen konnte, wo er seinen Golfschläger gelassen habe. »Nehmen Sie Platz«, sagte er.
    »Danke.«
    Der Dean saß hinter dem Schreibtisch und hielt die Fingerspitzen aneinandergepreßt. Da der Besucher nicht den Mund aufmachte, bemerkte er so freundlich, wie es ihm möglich war: »Für dieses Wetter ist eine saloppe Kleidung vermutlich angezeigt. Ich hoffe aber, daß Sie sich etwas konventioneller ankleiden werden, wenn Sie im Krankensaal erscheinen.«
    »Wozu seid ihr hinausgegangen?« Die Stimme war angenehm, mit einem leichten Cockney-Akzent, »einen Menschen zu sehen mit weichen Kleidern angetan?«
    »Wie bitte?«
    »Matthäus elf, Vers sieben.«
    Der Dean rückte etwas verlegen in seinem neuen Ledersessel hin und her. Der gehörte offensichtlich zu jener Art frommer Studenten, die man beobachten mußte. Er hatte festgestellt, daß die bedauerliche Beschäftigung mit spirituellen Dingen zu den frühesten Manifestationen geistiger Instabilität gehörte. »Ich sehe, daß Sie religiös sind.«
    »Da haben Sie recht. Und Sie?«
    »Natürlich.« Der Dean sah beleidigt aus. »Ich lese zu Weihnachten immer anläßlich des Gottesdienstes einen Bibeltext vor.«
    »Und damit glauben Sie Ihre Schuldigkeit für das übrige Jahr getan zu haben?«
    »Nun, ich habe jedenfalls keine Klagen gehört«, erwiderte der Dean steif.
    »Ich werde Ihnen sicherlich beim nächsten Weihnachtsfest wieder Gelegenheit geben, ihr Gewissen zu erleichtern.«
    Der Dean richtete sich abrupt auf. »Becket! Natürlich. Mrs. Samantha Dougal sprach erst gestern

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