Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
machtlos. Onesta nutzt diese Abhängigkeit nach Kräften aus. Belfagor muss die Mitgiften ihrer Schwestern zahlen, ihren Brüdern Geschäfte einrichten, seiner Gattin aufwendige Feste ausrichten und ihr selbst jeden Wunsch von den Augen ablesen. Da die Moden in Florenz wöchentlich wechseln, sind beide permanent auf Einkaufstour. Es kommt, wie es kommen muss: Binnen kurzem ist Belfagor hoch verschuldet und muss bei Nacht und Nebel fliehen.
Auf der Flucht vor seinen Gläubigern findet er bei einem Landarbeiter namens Gianmatteo Unterschlupf, dem er für seine Hilfe reichen Lohn verspricht. Gianmatteo schickt die Verfolger in die Irre; zum Dank dafür macht ihn Belfagor, der seinem Helfer seine wahre Identität offenbart hat, zum Wunderheiler. Er befällt als Dämon die Tochter eines reichen Florentiners, die Gianmatteo dann gegen viel Geld erfolgreich exorzisiert. Das «Wunder» spricht sich bis nach Neapel herum, wo sich die Prozedur wiederholt, diesmal für das stolze Salär von 50.000 Dukaten. Damit glaubt Belfagor seine Schuldigkeit getan zu haben, was er Gianmatteo auch unmissverständlich klar macht: Von jetzt an keine Exorzismen mehr, komm mir nicht mehr in die Quere!
Des lästigen Paktes und Partners ledig, nistet sich Belfagor erst einmal gemütlich in der Tochter des Königs von Frankreich ein. Dieser ruft unverzüglich Gianmatteo zur Hilfe, der auf Befehl der florentinischen Stadtregierung nach Frankreich zieht, und zwar mit Zittern und Zagen. Gegenüber dem Monarchen gebraucht er allerlei Ausflüchte, bis ihn dieser vor die Alternative stellt: Entweder heilst du meine Tochter, oder du endest am Galgen! Belfagor zeigt sich allem Flehen gegenüber unzugänglich. Er will sich für alle auf Erden erlittenen Demütigungen rächen. Zum Sündenbock ist Gianmatteo auserkoren. Dieser soll hängen, denn das wird alle anderen Erdenbewohner davon abschrecken, mit Teufeln ihr Spiel zu treiben.
Bauernschlau wie er ist, ersinnt Gianmatteo daraufhin eine List. Er verkündet dem König, den Exorzismus wagen zu wollen, und zwar auf einer pompös ausgestatteten Freilichtbühne mit erlesenem Publikum, mit Pauken und Trompeten. Erst wird eine Messe gelesen, dann die «Verhexte» von zwei Bischöfen auf die Bühne geführt. Das alles beeindruckt Belfagor nicht im Geringsten:
Was glaubt dieser Trottel von einem Bauerntölpel damit zu erreichen? Damit will er mich beeindrucken, mich, der ich die Pracht des Himmels und die Schrecken der Hölle kenne? Der soll mich kennen lernen![ 15 ]
Daraufhin gibt Gianmatteo ein Zeichen, und alle Musiker zusammen veranstalten einen Höllenlärm. Auf die Frage des verunsicherten Teufels, was das zu bedeuten habe, antwortet der «Wunderheiler»:
O weh, Rodrigo, deine Frau kommt, um dich abzuholen![ 16 ]
Daraufhin lässt Belfagor die Königstochter fahren und kehrt umgehend in die Hölle zurück. Dort legt er offiziell Zeugnis darüber ab, welche Hölle auf Erden die Ehe ist. Gianmatteo aber, der es besser wusste als der Teufel, kehrt reich und glücklich nach Florenz zurück.
Den Stoff des «Belfagor» hat Machiavelli nicht erfunden. Der gewitzte Bauer, das schwere Joch der Ehe, das Spiel mit dem Teufel: Das sind Versatzstücke von Fastnachtsschwänken und anzüglichen Novellen. Trotzdem hat Machiavelli eigene Akzente gesetzt. Die Parodie des Florentiner Politikbetriebs, das Schachern um vorteilhafte Heiraten – all das konnte ein tolerantes Publikum noch mit Schmunzeln bedenken. Doch bei der Moral der Geschichte hörte das Lachen endgültig auf: Die Welt ist so böse, dass es selbst den Teufel graust. Das Gesetz der Welt ist Betrug. Wer nicht wortbrüchig wird, geht unter. Das erfährt Belfagor sehr schnell am eigenen Leibe. Schon nach kurzer Ehezeit fällt er im wahrsten Sinne des Wortes aus der Rolle. Obwohl er hoch und heilig versprochen hat, zehn Jahre lang Mensch zu bleiben und alles zu erdulden, was sich Menschen gegenseitig antun, verwandelt er sich lange vor Ablauf der Frist in sein teuflisches Wesen zurück, um Ruhe vor den Menschen zu finden. Dieser Vertragsbruch wird ihm in der Hölle offensichtlich nicht verübelt. Auch dort muss man einsehen, dass sich auf Erden Schwüre nicht halten lassen. Wer sich von einem so naiven Gefühl wie der Liebe leiten lässt, wird erbarmungslos ausgenutzt und ausgeplündert, denn die Menschen sind unersättlich in ihren Begierden. Wer überleben will, muss täuschen können.
Über Pisa nach Frankreich
Nach Machiavellis Rückkehr aus Forlì
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