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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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schritt der Kampf um Pisa zunächst verheißungsvoll voran. Florenz’ neuer Feldherr Paolo Vitelli eroberte eine Burg nach der anderen und schlug am 6. August 1499 sogar eine erste Bresche in die Stadtmauer. Die Pisaner waren so erschrocken, dass sie Unterhändler für die Übergabebedingungen zu wählen begannen. Doch anstatt alle Kräfte für den Schlussangriff zu sammeln, zögerte Vitelli und zog sich zurück. Daraufhin fassten die Belagerten wieder Mut, und die Gelegenheit war verpasst. Mitte September musste die Einschließung der Stadt wegen der grassierenden Malaria aufgehoben werden. Die Florentiner witterten Verrat: Hatte sich Vitelli bestechen lassen? Die Stadtregierung beriet unter dem Siegel der Verschwiegenheit und sprach den glücklosen Feldherrn schuldig. Obwohl dieser selbst unter der Folter seine Unschuld beteuerte, wurde er geköpft. Als Chef der Zweiten Kanzlei dürfte Machiavelli während des Verfahrens zu den Geheimnisträgern gehört haben. Als noch Aussicht bestand, das Unternehmen gegen Pisa zu einem glücklichen Ausgang zu bringen, hatte er im Auftrag der Regierenden aufmunternde Schreiben an den condottiere verfasst.
    Was Machiavelli über Vitellis Hinrichtung und in diesem Zusammenhang über die Pflichten eines Staatsdieners dachte, lässt sich aus seinem Brief an einen Kanzler der Republik Lucca schließen:
Ob es sich gehört, dass ein Sekretär Eurer Republik eine Republik wie die unsere der Infamie bezichtigt, das überlasse ich Eurem Urteil. Doch bedenkt: Was immer Ihr gegen einen Mächtigen in Italien sagt, es fällt auf Eure Republik zurück. Denn Ihr seid die Stimme Eurer Regierenden, so dass jeder glauben wird, dass diese mit Euren Äußerungen einverstanden ist, und so werdet Ihr gegen diese ohne ihre Schuld Hass erregen.[ 17 ]
    Ein Staatsdiener durfte seinem Staat nicht schaden, im Gegenteil: Er musste Prestige und Nutzen des Staates mehren, und zwar um jeden Preis, was immer er auch über die Mächtigen denken mochte. An diese Regel hielt sich Machiavelli selbst mit eiserner Konsequenz, der namentlich nicht bekannte Kollege aus Lucca aber nicht:
Eure bösartige Gesinnung lasse ich beiseite, Euer Brief belegt sie zur Genüge. Ich werde mich nur über Eure Dummheit auslassen: entweder zu glauben, was Euch berichtet wurde, oder aber ein Gerücht auszustreuen, mit dem die Republik Florenz gezielt verleumdet werden soll.[ 18 ]
    Die üble Nachrede bestand darin, Vitellis Unschuld zu beteuern und die Florentiner damit eines Verbrechens von Staats wegen zu beschuldigen. Für Machiavelli aber konnte es am Betrug des Feldherrn keinerlei Zweifel geben. Im Gegensatz zum Betrug Gianmatteos, des Exorzisten, war dieses Täuschungsmanöver gegen den Staat gerichtet und daher unverzeihlich. Und da er sich schon einmal über die verschiedenen Formen des Betrugs ausließ, gab Machiavelli dem verlogenen Kanzler gleich noch einen guten Rat mit auf den Weg, wie er es in Zukunft besser machen konnte:
Ich will Euch nur daran erinnern, dass Ihr Euch Eurer laufenden Praktiken nicht allzu sehr erfreuen sollt … Ich will Euch aus brüderlicher Liebe wie folgt ermahnen: Wenn Ihr aufgrund Eurer schlechten Natur fortfahren wollt, andere ohne Nutzen für Euch selbst zu beleidigen, dann tut das bitte so, dass man Euch für klüger hält, als Ihr seid.[ 19 ]
    Wehe denjenigen, die Machiavellis Zorn erregten! Ob er vom Verrat Vitellis wirklich so felsenfest überzeugt war, wie er behauptete, muss dahingestellt bleiben. Letztendlich war für ihn die Schuldfrage belanglos. In einer wohlgeordneten Republik muss das Volk sehen, dass die Großen nicht über den Gesetzen stehen. Wer eine Gelegenheit zur Eroberung versäumt wie Vitelli, muss so abschreckend bestraft werden, dass künftige Feldherren lieber im Kampf sterben, als sich zurückziehen. Solchen Maximen huldigt Machiavelli anderthalb Jahrzehnte später in seinen Discorsi.
    Im Mai 1500 war Niccolò Machiavelli durch den Tod seines Vaters Bernardo Oberhaupt seines Familienzweiges geworden. Über seinen Vater hat Machiavelli nur einige scherzhafte Zeilen hinterlassen. So beklagte er sich in einem launigen Sonett über dessen Knauserigkeit. Es schließt mit der Aufforderung, Bernardo möge Enten und Gänse kaufen, aber diese nicht selbst verzehren. Als Machiavelli einige Jahre nach dessen Tod von einem Mönch erfuhr, dass in der Grablege der Familie in Santa Croce fremde Tote bestattet wurden, verblüffte er sein Gegenüber mit der folgenden Antwort:
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