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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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alle Kompromisse untauglich. Die Florentiner waren vor einem harten Entweder-Oder zurückgeschreckt. Entweder warf man die Rebellen so nieder, dass sie sich nie wieder erheben konnten; zu diesem Zweck eliminierte man die Eliten und deportierte ganze Völkerschaften. Oder man erwies ihnen Wohltaten und band sie dadurch dauerhaft an sich.
Ich habe Euch nur eines zu sagen: Nur die Herrschaft ist wirklich gesichert, in der die Untertanen treu und ihren Herren ergeben sind. Und was es dafür zu entscheiden gilt, das gilt es schnell zu entscheiden. Denn die vielen Euch unterworfenen Völker schwanken zwischen Hoffnung und Furcht. Daher müsst Ihr sie aus dieser Unsicherheit befreien und gewinnen: durch Strafe oder Belohnung. Meine Aufgabe war, Euch darüber zum Schiedsrichter zu machen. Das habe ich hiermit getan.[ 46 ]
    Das waren nicht die einzigen harten Worte, die der Sekretär der Signoria den Mächtigen seiner Republik zu sagen hatte:
Andere werden durch die Gefahren ihrer Nachbarn klug, Ihr hingegen werdet nicht einmal durch die eigenen Risiken vernünftig. Ihr habt kein Zutrauen zu Euch selbst, Ihr seht nicht, wie viel Zeit Ihr bereits verloren habt und weiter verliert. Darüber werdet Ihr bittere Tränen vergießen, wenn Ihr Eure Einstellung nicht ändert. Denn ich sage Euch: Das Glück ändert seinen Spruch dort nicht ab, wo sich die Ordnung nicht verändert. Und selbst der Himmel will und kann eine Sache nicht unterstützen, die Fortuna um jeden Preis vernichten will.[ 47 ]
    Das waren kühne Sätze ohne jede christliche Moral. Ob man Führungsschichten ausrotten und ganze Regionen entvölkern sollte, hing allein vom Erfolg ab. Mit Erfolg allein konnte man die Glücksgöttin günstig stimmen; sie favorisierte die Kühnen und Starken. Wer sie auf seiner Seite hatte, musste weder Gott noch Teufel fürchten. Die Rede, dass man unzuverlässige Untertanen mit Zuckerbrot oder Peitsche, aber nicht mit beidem zugleich traktieren solle, legte Machiavelli dem altrömischen Staatsmann Furius Camillus in den Mund, frei nach Titus Livius.
    In Livius’ Geschichtswerk hatte der Chef der Zweiten Kanzlei von Florenz seine Bibel gefunden, aus der er von jetzt an unablässig schöpfen und zitieren sollte: Vom Rom der guten, das heißt der frühen republikanischen Zeit lernen, hieß für Machiavelli siegen lernen. Die zwei Jahrtausende, die zwischen Brutus, dem Tyrannenstürzer und Republikbegründer, und dem Florenz des gonfaloniere Piero Soderini lagen, fielen demgegenüber nicht ins Gewicht:
Ich habe gelernt, dass die Geschichte die Lehrmeisterin unseres Handelns ist, speziell für die Mächtigen, und dass die Welt immer auf dieselbe Weise von Menschen mit denselben Leidenschaften bewohnt wurde.[ 48 ]
    Die Menschen sind nicht zu allen Zeiten gleich. Das zu behaupten, wäre eine Beleidigung für die Heroen der römischen Frühzeit; verglichen mit den dekadenten Florentinern des Jahres 1503 erscheinen sie wie höhere Wesen. Dafür schlummern jedoch in allen Menschen die gleichen Anlagen. Man kann daher durch die richtigen Staatseinrichtungen, gepaart mit guten Gesetzen, aus den Menschen der Gegenwart wieder alte Römer machen. Da man ihnen ihre destruktiven Eigenschaften nicht austreiben kann, muss man diese für den Staat nutzbar machen. Machiavelli hatte sein Credo gefunden. Es gab die Hoffnung, dem politischen Jammertal von Florenz zu entkommen – nicht durch christliche Frömmigkeit im Jenseits, sondern durch die Erziehung des egoistischen Triebwesens Mensch zum opferbereiten Staatsbürger. Wie die Menschen ohne Staat waren auch die Staaten untereinander:
Zwischen Privatleuten halten Gesetze, schriftliche Abmachungen und Verträge Treu und Glauben ein, doch zwischen den Mächtigen gelten nur die Waffen.[ 49 ]
    Auch diese Feststellung kommt ohne jede Spur von Bedauern aus. Staaten sind wie Wölfe, wer auch nur das kleinste Zeichen der Schwäche zeigt, wird von den anderen zerfleischt. Die Nutzanwendung für Florenz lautete daher: Straft Arezzo so hart, dass es sich nie wieder erholt. Und verschafft euch endlich ein schlagkräftiges Heer und damit Respekt, sonst bleibt ihr der Spielball oder schlimmer noch: das Gespött der Starken, ob sie nun Cesare Borgia heißen oder nicht. Dieser Herr umschleicht euch im Übrigen weiterhin, denn er will ein Königreich Italien aus Kirchenstaat und Toskana zusammen bilden. Und er weiß, dass ihm dafür nicht mehr viel Zeit bleibt.
    Diese Töne müssen den Florentiner Patriziern schrill in den

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