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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Ohren geklungen haben. Ihr Sekretär ging hart mit ihnen ins Gericht. Darüber hinaus predigte er ihnen ein verhasstes Vorbild. Florenz war das bessere, freiere, humanere und gerechtere Rom: Das war älteste florentinische Staatsideologie, wie sie die großen Humanisten Coluccio Salutati und Leonardo Bruni im Dienst der Republik verkündet hatten. Diese Wertordnung kehrte der Chef der Zweiten Kanzlei jetzt um. Er empfahl eine Politik, die in unüberbrückbarem Gegensatz zum Kurs stand, den seine Vorgesetzten steuerten. Sie lavierten, zögerten, versuchten Zeit zu gewinnen und waren bestrebt, sich von allen Unannehmlichkeiten mit Geld freizukaufen. Er hingegen riet zu Hochrisiko-Strategien. Konnte das gut gehen – mit dieser Politik und diesem Kanzler?
    Cesare Borgia 4: Abgesang
    Am 18. August 1503 trat für Cesare Borgia der Ernstfall ein: Sein Vater Alexander VI. starb an der Malaria, die auch ihn selbst aufs Krankenbett warf. Konnte der Emporkömmling seine geraubten Staaten behaupten? Das hing davon ab, wer zum neuen Papst gewählt wurde. Und das wiederum hing davon ab, ob Cesare, der eben noch so Schreckliche, die Kardinäle so weit einschüchtern konnte, dass sie sich für einen ihm genehmen Nachfolger entschieden. Das aber taten sie nicht. Am 22. September erhoben sie den Kardinal Francesco Todeschini-Piccolomini, einen Neffen von Papst Pius II., auf den Thron Petri. Pius III., wie sich der neue Pontifex maximus nannte, hatte sich als konservativer Reformer einen Namen gemacht, der die Zustände unter den Borgia zutiefst missbilligte. Trotzdem hatte Cesare von diesem gütigen alten Herrn nicht viel zu befürchten. Sein oder Nichtsein: diese Frage stellte sich ihm zum zweiten Mal, als Pius III. nach knapp vierwöchigem Pontifikat am 18. Oktober 1503 starb.
    Fünf Tage später – alles war noch in der Schwebe – stellten die Dieci di Balìa die Instruktion für ihren Sonderbeauftragten Niccolò Machiavelli aus. Seine offizielle Mission: Er sollte sich so schnell wie möglich nach Rom begeben und mit den befreundeten Kirchenfürsten dafür sorgen, dass ein würdiger Papst gewählt werde, wie ihn die gegenwärtigen Nöte der Christenheit erforderten. Das hieß im Klartext: Tut alles dafür, dass ein uns freundlich gesinnter Kardinal das Konklave als Sieger verlässt. Machiavellis Ansprechpartner in Rom war ein guter alter Bekannter: Francesco Soderini, der es inzwischen selbst zum Kardinal gebracht hatte, also mitwählen durfte oder vielleicht sogar selbst gewählt werden würde.
    Während Machiavelli sich auf den Weg nach Rom machte, brach in der Romagna die Borgia-Dämmerung an. Forlì rief die Ordelaffi, Faenza die Manfredi zurück. Cesares vermeintlich starker Staat bröckelte an allen Ecken und Enden, eine Eildepesche nach der anderen wurde dem Gesandten der Republik nachgesandt. Machiavelli wusste also, wie es um die Macht des Herzogs stand, als er drei Tage später erstmals in Rom mit diesem zusammentraf. Ort des Gesprächs war die Engelsburg, die uneinnehmbare Festung am Tiber, die der Papstsohn als Faustpfand besetzt hielt. Dort fühlte er sich nicht nur in Sicherheit, sondern ganz und gar als Herr der Lage:
Der Herzog in der Engelsburg hofft mehr denn je auf große Dinge. Denn er geht davon aus, dass ein Papst nach den Vorstellungen seiner Gefolgsleute gewählt wird.[ 50 ]
    Das sah Machiavelli anders. Seine Gewährsmänner – wenn es sie denn diesmal gab – hatten ihm von einer klaren Stimmenmehrheit für den Kardinal Giuliano della Rovere berichtet. Dieser war ein Neffe Papst Sixtus IV. und als solcher ein naher Verwandter der Riario, die die Borgia aus Imola und Forlì vertrieben hatten, doch nicht nur deshalb Cesares Todfeind. Während der Regierung Alexanders VI. hatte er sich lange Zeit am französischen Hof aufgehalten und seinen Gastgeber, König Karl VIII., zum Zug nach Neapel ermuntert. Der aussichtsreichste Kandidat im Konklave war ein Machtpolitiker reinsten Wassers.
    Während die ganze Stadt fieberhaft auf den Wahlkampf blickte, fand Machiavelli Zeit und Muße für römische Geschichtsspaziergänge. Dabei faszinierte ihn nicht die antike Ruinenlandschaft, sondern der unüberbrückbare Gegensatz zwischen einst und jetzt:
Die Leute im Gebiet von Rom mit ihren ewigen Feindschaften sind eher schäbige Straßenräuber als Soldaten. Und da sie ihren Leidenschaften blind ergeben sind, bringen sie einem Auftraggeber keinen Nutzen.[ 51 ]
    Einst waren die Römer die Herren der Welt.

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