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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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bin erst drei Tage hier, und was ist noch an Geld übrig?«
    »Soll ich dir was borgen?«
    »Lass mich in Ruhe!«
    »Wieso? Ich meine das ganz ernst. Ich hab im Karma-Zentrum Reisespesen bekommen. Und der Lama legt im Notfall auch noch was drauf ...«
    »Und wie soll ich‘s dir zurückzahlen?«
    »Trink mit mir wie ein Mensch. Dann brauchst du nichts zurückzuzahlen.«
    »Soviel ich weiß, hab ich darauf schon geantwortet, oder?«
    Aus irgendeinem Grund unterhielten wir uns auf Englisch. Brigitta sagte, wir seien doch ein seltsames Volk, wir Russen ... »Russen? Kinder, seid ihr aus Russland?«
    Papauskas und ich zuckten zusammen und sahen uns um. Am Nachbartisch saß ein rotgesichtiger Europäer. Ergrauender Igelschnitt, gestärktes Hemd.
    »Wir? Ja. Russen.«
    »Verflucht und verfickt! Setzt euch rüber! Russen! Ist ja nicht zu fassen!«
    Der unverhoffte Landsmann lächelte und wedelte mit den Armen. Wir setzten uns an seinen Tisch. Er fragte, ob wir Tequila tränken, und holte Gläser. »Verdammich! Russen! Da fick sich doch einer ins Knie! Auf unser Treffen!«
    Brigitta lauschte mit höflicher Aufmerksamkeit den Lauten der Sprache, die Puschkin und Tolstoi gesprochen hatten.
    »Was macht ihr hier? Ich heiße Witalik, und ihr? Das ist ja ein Zufall!«
    Neben ihm saß ein malaiisches Frauchen. Wie üblich, von undefinierbar-kindlichem Alter. Ihr Lippenstift war fettig und der Lidschatten über den Augen lebhaft blau. Auf der grauen Haut sah das aus, als habe sie sich schmutzig gemacht und könne sich nirgends waschen. Sie musterte mich und sagte plötzlich: »Wie geht‘s, Seemann?«
    »Hoppla! Hast du ihr das beigebracht?«
    »Eine Prostituierte. Kann nur die drei Worte Russisch. Gefällt sie dir?«
    »Wie viel hast du ihr bezahlt?«
    »Pfeif drauf! Hier im Hafen gibt‘s genug davon!«
    Papauskas übersetzte für Brigitta ins Englische. Dass Witalik sie für den Abend aufs Schiff einlud (»Für diese Kreatur ist sowieso bis zum Morgen bezahlt!«), ließ er weg.
    »Wann fahrt ihr zurück?«
    »In zehn Tagen sind wir in Moskau.«
    »Das ist ja ‘n Ding! Russen zu treffen! Gießt euch ein, gießt euch ein! Und ich habe eine Fracht. Ich bin in zehn Tagen in Japan.«
    »In Japan?«
    »Fahren wir zusammen? Mit dem Kapitän kann ich das regeln. Der hat auch schon zwei Jahre lang keine Russen mehr gesehen. Na?«
    »Nach Japan? Warum nicht? Du fährst nach Japan? Was sagst du dazu, Brigitta?«
    »Wie hat‘s euch denn hier zum Arsch der Welt verschlagen?«
    »Wir haben hier einen Kongress. Einen religiösen Kongress.«
    »Einen religiösen? Ach, deswegen trinkst du nicht.«
    »Wieso? Ich trinke. Es ist nur zu heiß. Und ich mag keinen Tequila.«
    »Dieser Typ hier hat beschlossen, Buddhist zu sein! Hahaha!«
    »Im Ernst? Buddhist? Dann musst du auf jeden Fall mitfahren. Weißt du, wie viele von diesen Missgeburten es in Japan gibt?« Dann brachte Witalik noch eine Flasche Tequila. Die Prostituierte leckte schon an der fünften Portion Eis. Alles das hatte ich schon einmal erlebt. Seeleute – eine Prostituierte mit einem Eskimo-Eis – unverständliches Gerede ringsum ... Als ich gerade die Schule beendet hatte, fuhr ich mit Freunden nach Riga. Damals war alles ganz genauso.
    Drei Freunde waren mit mir gefahren. Seitdem waren fünfzehn Jahre vergangen. Ich – er hier – und sie ...
    Nach Riga zu fahren hatte ein baumstarker, zwei Meter langer Bursche vorgeschlagen, den alle Rüssel nannten. Wenn er laut lachte, pinkelten sich die Kinder vor Schreck in die Hose. In Riga prügelte sich Rüssel als Erstes mit drei Seeleuten. Sie rannten vor ihm weg und verloren im Laufen ihre Matrosenmützen. Er aber lud die Prostituierten zu Eis ein. In seiner Hand verschwand das Eskimo-Eis wie ein Tampax in – na, Sie wissen schon.
    Noch vor dieser Fahrt sagte Rüssel, er habe Heroin probiert. Ich dachte, das sei gelogen. In jenen Jahren war Heroin etwas Exotisches aus dem Ausland. Es vergingen ein paar Jahre, und die Eltern ließen ihren Sohn nicht mehr in ihre Wohnung. Für sie war Heroin schon nichts Exotisches mehr. Eine Zeit lang übernachtete Rüssel im Keller des eigenen Hauses. Man erzählte, er sei gesehen worden, wie er auf Essensresten aus dem Abfalleimer kaute.
    Als der Richter das Urteil verlas – eine Therapie in einer Gefängnisklinik – , stützten die Begleitsoldaten Rüssel an den Ellbogen. Er wog fünfunddreißig Kilogramm und konnte nicht mehr allein auf stehen. Ich betrachtete seine Vorderzähne – schwarz,

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