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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kontrollierte unterwegs, ob die Kugelschreiber schrieben und die Batterien im Diktafon funktionierten.
    Der sich vor mir ausbreitende Tag erinnerte an die erste Hochzeitsnacht.
    Nahe am Campus parkte ein roter Saab. Alle Türen waren geöffnet. Im Innern des Autos wurde laut gelacht. Daneben stand Papauskas. Als er mich bemerkte, winkte er mir mit der einen Hand zu. In der anderen hielt er einen Plastikbecher.
    »Ich werde gerade interviewt! Stell dir vor! Ein Foto von mir soll auf der ersten Seite der größten Zeitung von Kuala Lumpur erscheinen! Stell dir vor! Morgen kaufe ich die ganze Auflage auf! Die Jungs in Daugawpils werden vor Neid platzen!«
    Im Wagen saßen stämmige kleine Malaien. Einer trug eine Fotoreporterweste mit vielen kleinen Taschen und war mit teuren Kameras behängt.
    »Übrigens, Kinder, dieser Bursche ist ebenfalls Journalist.«
    »Oh!«
    »Er ist beim Kongress akkreditiert. Ein Russe. Aus Sankt Petersburg.«
    »Oh!«
    »Sie bewirten mich mit einem malaiischen Getränk. Willst du auch mal probieren? Es heißt coconut-vodka. Wenn ich es richtig verstehe, ist es ein selbst gebrannter Schnaps aus Kokosnüssen. Exotisch, was?«
    »Gehst du zu der Sitzung?«
    »Du denn?«
    »Unbedingt. In meiner Zeitung wird ein Interview mit Typen wie dir nicht als Sensation gehandelt.«
    »Warte einen Moment. Ich trinke eben noch aus, und dann gehen wir zusammen. Wartest du so lange?«
    Die Malaien gossen ihm noch etwas von ihrem Kokosgebräu nach. Mir reichten sie ebenfalls einen Becher.
    »Danke. Ich will nicht.«
    »Das ist lecker. Probier mal.«
    »Ich will nicht. Ich will einfach nicht.«
    »Habe ich richtig verstanden? Du bist Journalist?«
    »Jetzt möchte ich einfach nichts. Danke.«
    Die letzten Delegierten galoppierten durch die Türen des grauen Gebäudes. Papauskas trank nicht einen Becher, sondern mehrere. Es roch tatsächlich nach Kokosnüssen.
    »Was macht ihr heute Abend, guys? Gehen wir in die Disco?«
    »Gibt es in eurer Stadt gute Discos? Kommst du mit in die Disco?«
    »Wir haben hervorragende Discos! Man muss nur wissen, wohin man gehen muss. Discos und Peepshows und Massagesalons. Wart ihr schon im ›Achlasar‹?«
    »Was ist das?«
    »Ihr wart noch nicht im ›Achlasar‹?! Da war sogar schon Kevin Costner! Kennt ihr Kevin Costner? Bei uns in Malaysia gibt es den besten Striptease von Ostasien!«
    »Den besten Striptease von Ostasien gibt es in Pattaya, Thailand.«
    »Fake! Die Thaifrauen sind Schlampen! Aber die Malaiinnen sind sehr schön. Gefallen euch unsere Mädchen?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Eure Mädchen sind zu klein. Ich liebe große Frauen. So wie Brigitta. Ha-ha-ha! Apropos Brigitta ...« Papauskas drückte mir seinen Becher in die Hand und verschwand im Innern des Gebäudes. Gleich darauf schleppte er Brigitta am Ärmel auf die Straße. Sie zog erstaunt die Brauen hoch und fragte, was los sei und wohin sie gingen. Papauskas goss ihr Wodka ein. Brigitta hörte auf, Fragen zu stellen.
    Ich sah mehrere Male auf die Uhr.
    »Gut. Das wär‘s. Ich gehe.«
    »Warte. Warte noch einen Moment.«
    »Wie soll ich denn was schreiben? Ich war noch auf keiner einzigen Sitzung!«
    »Willst du, dass ich allein mit diesen Fratzen rumhänge?«
    Die Malaien holten die nächste Flasche heraus. In der trüben Flüssigkeit schwammen weißliche Fasern. Der Akzent der Malaien klang sonderbar, winselnd. Als wollten sie randalieren, hätten aber den Mund voller Karamellbonbons. Statt »fifty« sagten sie »pipti«. Das Wort »Russia« sprachen sie aus wie »Rusja«.
    »Was ist denn das Nationalgetränk der Malaien?«
    »Was ist das, ›Nationalgetränk‹?«
    »Die Franzosen trinken Wein. Die Schotten Whisky. Und was trinken die Malaien?«
    »Stoly.«
    »Was?«
    »Wodka Stoly.«
    »Hast du das gehört? Meinen die das ernst? Jungs, ist euch klar, dass Stolitschnaja das russische Nationalgetränk ist?«
    Dann sagte Papauskas, wir wären sowieso zu spät dran zur Sitzung, also könnten wir auch in die Stadt fahren. Ich versuchte, zu sagen, dass das heutige Thema ... Und was würde der Lama denken? Und ich müsste noch was schreiben ... Die anderen lachten bloß. Ich wurde auf den Rücksitz geschoben, neben Brigitta. In der Enge roch ich ihr Parfüm. Unterwegs goss Papauskas Brigitta immer wieder Wodka nach, und jedes Mal kleckerte er mir ein bisschen auf die Hose.
    Der Wagen zwängte sich durch enge Gässchen. Endlos zogen sich gelbe Mauern hin. Die Steine waren vom Wind sorgfältig abgeleckt. Die

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