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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht religiös bin. Ich arbeite nur einfach gern mit Kindern.«
    »Ich verstehe.«
    »Und du bist Buddhist, habe ich gehört?«
    »Seit vorgestern.«
    Papauskas kam ans Ufer, schüttelte sich wie ein Hund das Wasser ab und stapfte auf uns zu.
    »Seht ihr die Fratze da hinten auf der Dschunke? Ich frage ihn: Wie viel kostet eine Spazierfahrt? Wisst ihr, was er gesagt hat? Zweihundert Bucks! Sehe ich etwa aus wie ein Millionär?«
    Ich fragte ihn, ob er vom Schicksal des Kapitäns Magellan gehört habe, der auch irgendwo in dieser Gegend eine Spazierfahrt auf einer Dschunke machen wollte. Papauskas rieb sich trocken und schüttelte lange das Wasser aus seinem Ohr. Steckte sich eine Zigarette an.
    »Wie spät ist es? Wie wär‘s noch mit einem Bier?«
    »Oje! Willst du mich endgültig fertig machen?«
    »Ich sehe, du hast zu Alkohol eine schwierige Beziehung.«
    »Ich hab bloß gestern schon ein Glas kaltes Bier getrunken.« Wir gingen trotzdem zum Strandcafe. Es war aufgemacht wie ein tropischer Bungalow. Das Dach war mit harten, schwarzen Bastwischbündeln gedeckt. Von der Veranda konnte man den Ozean und Palmen sehen. Die Bucht erinnerte an zerkaute Marmelade.
    »Heiß ist es hier.«
    »Die Einheimischen sagen, die Regenzeit ist schon zu Ende. Wobei vielleicht noch ein Taifun kommen kann.«
    Wir betrachteten eine Weile den Ozean. Außer uns saß nur noch ein Malaie im Café. Er rauchte und stocherte mit einem Messerchen in einer orangefarbenen Grapefruit.
    »Wenn ich einen Malaien mit Brille sehe, gucke ich mich unwillkürlich um: Gibt‘s hier vielleicht auch einen Hund mit Hörgerät?«
    »Du bist boshaft.«
    »Wahrscheinlich kann man ›Malaysia‹ mit ›Asien für die Kleinen‹ übersetzen. Neben den Einheimischen fühle ich mich wie ein großer weißer Kolonialherr.«
    Brigitta trank das Bier in ganz kleinen Schlucken. Dann fragte sie, ob ich schon lange als Journalist arbeite.
    »Viel zu lange.«
    »Bist du bei dir in Russland ein bekannter Journalist?«
    »Bei mir in Russland bin ich ein armer Journalist.«
    »Wirklich, gibt es das? Bist du verheiratet?«
    »Geschieden. Seit einem Monat.«
    »Kinder?«
    »Ein Junge. Hellblond, sehr niedlich.«
    »Lebt er jetzt bei deiner Frau?«
    »Versteht sich.«
    »Kinder sind wichtig. Mir tun diese Kinder immer sehr Leid. Sie müssen unbedingt Eltern haben. In Belgien bleiben die Kinder nach einer Scheidung oft bei den Vätern.«
    »Ist nicht machbar. Ich habe eine idiotische Arbeit. Ich trinke viel. Ich habe nie genug Geld.«
    »Gefällt dir deine Arbeit nicht?«
    »Mir gefällt deine Arbeit.«
    »Wie meinst du das?«
    »Alles hinschmeißen. Nicht trinken. Eine – Therapie machen, wie du. Kindern Bücher vorlesen.«
    Sie und Papauskas sahen mich an.
    »Was hindert dich daran, eine solche Arbeit anzunehmen?«
    »Nichts hindert mich daran. Vielleicht tu ich es auch noch. Papauskas, gibt es in Russland buddhistische Wohltätigkeitsorganisationen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du bist doch Buddhist?«
    »Was hat der Buddhismus mit Wohltätigkeit zu tun? Hat dir der Lama nicht gesagt, du sollst die Natur des Geistes studieren? Na, dann tu das doch!«
    »Okay. Werde ich machen. Gut, dass man gerade mich auf diesen Kongress geschickt hat.«
    »Ja?«
    »Man hätte mich ja auch nicht schicken können.«
    »Ja?«
    »Vielleicht wird sich alles ändern, wenn ich nach Hause zurückkehre.«
    »Darauf wollen wir trinken!«
    »Trinkt. Danke.«
    Die Wellen rollten gemächlich ans Ufer. Träge, im Bewusstsein der eigenen Würde. Wie es sich für die Wellen eines Ozeans geziemt, der der Stille oder der Große genannt wird. Ans Ufer – eine Sekunde Pause – und wieder zurück. Und so schon seit einer Milliarde Jahren.
    Der Kater wurde allmählich schwächer. Ich war wirklich froh, hierher gekommen zu sein.
    4
    E s gibt auf der Welt nichts Sprudelnderes und Optimistischeres als einen Menschen, der schon vorgestern mit dem Alkohol Schluss gemacht hat, heute eine Dusche genommen und sich umgezogen hat und jetzt Kaffee trinkt.
    Den Kaffee goss ich mir ein, wie ich ihn liebe: sehr heiß und sehr süß. Die Zähne waren blank geputzt, das T-Shirt duftete nach meinem Lieblings-Eau-de-Cologne. Die strengen Malaien lächelten mir freundlich zu. Sie beneideten im Voraus den Redakteur, der mein heutiges Material lesen würde.
    Die Sitzungen fanden in dem riesigen, grauen Hauptgebäude statt. Ich steckte mir eine Zigarette an. Reihte mich in die Phalanx der disziplinierten Delegierten ein.

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