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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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wieder. Allerdings knackte irgendwas innen drin, und die Finger waren nicht mehr so biegsam wie früher. Ich befühlte die Knöchel und spürte, dass sich unter der Haut spitze Splitter bewegten.
    Mehrere Male ging ich in die Redaktion. Die Kollegen sagten, ein Fax warte auf mich. Eine Firma mit einem langen Namen lud zur Verkostung des Whiskys Chivas Regal ein. Die Großhändler standen bereit, um massenhaft auf den russischen Markt zu drängen. Für die Herren Journalisten waren einige Kisten umsonst bereitgestellt worden. Eigens für die Verkostung sollte aus Schottland ein Whiskyspezialist anreisen, um die Gäste in seiner Kunst zu unterweisen.
    Ich rief Karina an.
    »Mi-i-i-st! Ich vergöttere Whisky! Aber ich habe Aufnahmen!«
    »Verschieben geht nicht?«
    »Genau das ist das Problem.«
    Ich telefonierte mit ihr, während ich in meinem Zimmer saß. Über den Teppichboden krabbelte unser Dackel. Der Welpe hatte sich schon eingelebt. Wenn ich nach Hause kam, lief er mir entgegen und wedelte mit seinem Mohrrübenschwanz.
    Karina bat mich, ihre Freundin Marina mitzunehmen. Ich kannte Marina, aber nicht sehr gut. Natürlich wäre ich lieber mit einem meiner Freunde gegangen, aber ich willigte ein. Dem gesellschaftlichen Anlass entsprechend kleidete ich mich in einen weißen Mantel. Er war alt und hatte zwei Löcher. Ich hoffte, niemand würde es bemerken. Marina samt ihrem Freund holte ich am Sagorodny-Prospekt ab. Sie hatte dunkle Augen und trug die Haare genauso wie Karina. Überhaupt war sie meinem Mädchen sehr ähnlich. Ihr Freund trug eine Brille mit dicken Gläsern und blöde Halbschuhe. Er hieß Jewgeni, Schenja.
    Die Whisky-Probe sollte im Café »City« stattfinden. Der nervige Taxifahrer untersagte mir das Rauchen im Auto und brabbelte was von nicht erlaubtem Wenden. Als wir ankamen, fragte ich meine Begleiter, ob sie Kleingeld zum Bezahlen hätten. Der Ausdruck »Kleingeld« ist in solchen Situationen sehr hilfreich. Schenja wandte sich ab und schaute zum Fenster hinaus, und das Mädchen sagte, es hätte sein Portemonnaie zu Hause gelassen und leider wirklich keine Kopeke dabei.
    Im »City« gab es zwei Räume, einen größeren und einen kleineren. In dem kleinen standen eine Theke und mehrere Tische. Die Kellnerin fragte, ob wir etwas bestellen wollten. Ringsum wurde hauptsächlich Englisch gesprochen. Mehrere Männer mit roten Gesichtern tranken Bier. Sportliche Ausländerinnen lachten laut. Mir bekannte Journalisten entdeckte ich nicht. Marina fragte, was es bei mir Neues gebe.
    Sie betrachtete die Leute hier ein wenig von oben herab. Ihr gefiel, dass es ein teures Café war und ringsum viele Ausländer. Wir plauderten eine Weile und rauchten jeder eine Zigarette. Ich erzählte eine Anekdote, die ich aus der Zeitung hatte. Marina schlug Schenja leicht auf den Rücken.
    »Steh nicht so krumm da.«
    »Ich stehe nicht krumm da.«
    »Doch, du stehst krumm! Stell dich gerade hin! Du siehst ja aus wie ein Fragezeichen! Ja, so-o! Das sieht schon ganz anders aus! Merk dir endlich, ich kann es nicht leiden, wenn du so krumm stehst!«
    Vor kurzem war ich mit Karina bei den beiden zu Besuch gewesen. Mit Entsetzen hatte ich beobachtet, wie Marina ihrem Freund die Pickel ausdrückte. Aus seiner Haut quollen weiße, fettige Säulchen heraus. Der arme Kerl protestierte nicht. Er hatte viele Pickel. Schlafen sie denn nicht miteinander? Und warum gefällt den Mädchen diese eklige Beschäftigung so sehr?
    Schon nach zwanzig Minuten gab es keine freien Tische mehr. Die rotgesichtigen Männer beugten sich zu den Frauen und überschrien einander. Der Qualm biss in den Augen. Ich ging zu einem Mädchen mit dem Anstecker »Administrator« und fragte, warum man nicht anfange und was für ein Programm überhaupt geplant sei.
    »Wir warten auf den Verkoster. Mister Wallish hat Probleme am Flughafen. Aber es heißt, er sei jetzt unterwegs. Extra für unseren Abend ist Mister Wallish aus Edinburgh eingeflogen und kehrt noch heute dorthin zurück. Sobald er eingetroffen ist und sich umgezogen hat, beginnt die Verkostung. In etwa fünfunddreißig bis vierzig Minuten. Anschließend werden die Gäste und die Presse bewirtet. Dann tritt ein Folklore-Ensemble auf.«
    Der Spezialist fürs Whiskytrinken entpuppte sich als mageres, hektisches Kerlchen. Er flitzte an uns vorbei in den hinteren Saal, und zehn Minuten später bat man auch alle anderen dorthin. Der Spezialist hatte sich einen Kilt angezogen. Darunter ragten rotbehaarte

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