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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu können, hätte er auf der Titelseite nicht nur ein Gesicht, sondern auch einen Hintern untergebracht. Er rief im Club an. Oleg war da und sagte, er würde sich freuen, sie zu sehen. Umso mehr, als sie heute einen »Wi-ai-pi«-Gast hätten und es einen super Striptease gäbe.
    Die Stripperinnen im »Luna« zogen sich nicht einfach Höschen und BHs aus, ihr Tanz war Kunst. Jedes Mädchen hatte seine Rolle – »Strenge Lehrerin«, »Weißer Engel«, »Kellnerin«, »Desperado«, und am Ende jeder Stunde kam ein Transsexueller mit vier Titten auf die Bühne. Um etwa zwei Uhr nachts schaute Oleg zur Tür und sagte: »Und nun kommt auch unser Gast.« Zuerst erkannte der junge Mann den schmächtigen Mann mit dem verträumt-jüdischen Aussehen nicht, der von einem Dutzend Bodyguards umgeben war. Von diesem Gastspiel trompeteten schon seit zwei Monaten alle Fernsehsender des Landes, aber ihm war in diesem Herbst nicht nach Fernsehen zumute gewesen. Das Mädchen sagte laut: »Verdammt! Ist das etwa Copperfield?« Der berühmteste Zauberer des Planeten setzte sich an ihren Tisch.
    Um sie herum bezog das ganze Dutzend der Leibwächter Stellung. Der Magier saß am Tisch, ganz in Schwarz gekleidet, und behielt aus irgendeinem Grund die Handschuhe an. Etwas Intelligenteres als »Zeigen Sie uns einen Trick?« fiel dem jungen Mann nicht ein. »Sollen wir nicht besser gehen? Hier wird es mir zu langweilig«, sagte das Mädchen. Das Publikum schluckte Speichel und starrte auf die frei gewordenen Plätze neben Copperfield. Im Auto sagte er zu dem Mädchen, das hätte sie nicht tun sollen. Millionen Frauen in der ganzen Welt träumten davon, wenigstens eine Minute neben diesem Mann zu sitzen, der fliegen kann und vielleicht sogar, ausgeschlossen ist es nicht, ein Außerplanetarischer ist. Sie sagte, gut erzogene Männer zögen bei Tisch gewöhnlich ihre Handschuhe aus.
    Der September ist in Petersburg eine sehr seltsame Zeit. Es ist noch warm, und die Nächte sollten weiß sein, aber der Herbst hat schon begonnen, und nach zehn ist es draußen dunkel wie im Winter. Ich weiß nicht, warum, aber plötzlich begann sie von ihrem ersten Mann zu sprechen. Sie sagte, es sei ihr Ehemann gewesen – früher sei sie verheiratet gewesen – obwohl – eigentlich nicht ihr Mann – wozu sollte sie lügen? – das war gar nicht ihr Mann – einfach so ein Milchbubi – damals habe sie sich vorgenommen, ihre Unschuld zu verlieren, und das habe sie dann auch getan – als sie bei irgendwem zu Besuch war ... Erinnern Sie sich? In jenem Herbst war der junge Mann sehr niedergeschlagen. Es war ganz überflüssig, solche Sachen zu sagen. Er kaufte sich Bier, und noch bevor es dämmerte – und Sie wissen, wie früh es im September in Petersburg morgens hell wird – war er siebenmal in ihr, die er ein Jahr kannte, gekommen – na, vielleicht auch nur sechsmal –, jedenfalls sehr oft. »Biest!«, flüsterte er.
    Seitdem stiegen sie regelmäßig in diesem Zimmer ab. Abends gingen sie über den Hof auf die Spalernaja und dann zum Beispiel in den Jazzclub »JFC«. Felix, der Chef des Clubs, hatte zu viel Respekt vor der Presse, als dass er den jungen Mann für die Getränke hätte bezahlen lassen. In jenem Herbst gab er sein Gehalt und alle seine Honorare für sie aus, daher gingen sie oft ins »JFC«. Beim Abschied sagte Felix jedes Mal traurig: »Kommt bald wieder ...«
    Wenn sie dann vom Haupteingang aus auf die Uferstraße hinaustraten, gingen sie in Richtung Sommergarten. Dort gibt es kein einziges Geschäft, und man muss den Alkohol selber mitschleppen. Dafür kann man sich, wenn man friert, am Ewigen Feuer auf dem Marsfeld wärmen. Nachts verkaufen die Obdachlosen auf dem Marsfeld den verliebten Pärchen Blumen, die sie von den Gräbern der Revolutionskämpfer geholt haben. Es heißt, die Maschine, die bei der Miliz das Phantombild der Verbrecher herstellt, habe ein einziger Mann konstruiert, der sein ganzes Leben die Gesichter von Menschen betrachtet und ihre Augen, Gesichtsformen, Brauen, Kinne klassifiziert habe. Die Gesichter von Menschen betrachten – der junge Mann hätte eine solche Arbeit höchstens für Geld gemacht. IHR Gesicht kannte er allzu gut. Er hatte sogar schon versucht, dieses Gesicht zu malen. Er kannte jede Sommersprosse. Ich habe doch wohl schon gesagt, dass sie unglaublich schön war?
    Das letzte Mal übernachteten sie in dieser Wohnung im November. Das Mädchen wollte zu einem Pferderennen gehen, und er hatte eine

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