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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Morgen mehr. Nur ihre weiche Brust unter seinen Händen und das feuchte Atmen links über dem Ohr ... Die Augen zusammenkneifend, denkt er, dass vielleicht wirklich alles zu Ende ist.
    Neuntes Rezept – Lobio-Schlobio
    D ie schwierigste Zeit machte er in dem Zimmer durch, das er am Newa-Kai gefunden hatte. Sie hielt diese Krisen für normal. Das Zimmer war in einer Kommunalwohnung, in der an die vierzig Menschen logierten. An der Decke hatten sich Stuckengelchen aus dem vorigen Jahrhundert gehalten. Aus dem Fenster sah man auf die Peter-Paul-Festung, und nachts konnten sie, ohne aus dem Bett zu steigen, die hochgezogenen Brücken sehen. An den Fenstern fuhren die mit Girlanden geschmückten Flussbähnchen vorbei. Man hörte, wie auf ihnen Musik spielte.
    Das erste Mal waren sie Anfang September hier gewesen. Er arbeitete als Redakteur eines Hochglanzjournals. Das Restaurant »Cat« hatte in dieser Zeitschrift Werbefläche gekauft und dafür zum Teil nicht mit Geld, sondern mit Einladungskarten bezahlt. Zwei Karten, jede für einen Tisch im Wert von zweihundert Dollar. Die Karten sollten Leser bekommen, die ein Preisrätsel lösten. Die Preise bei solchen Wettbewerben gehen nie an die Leser. Hätte er sie nicht genommen, hätte es jemand anders getan. Einen Monat zuvor hatte die Werbechefin sich für zweitausend Dollar die Zähne machen lassen, nachdem sie sich sämtliche Preise in dem Preisausschreiben einer stomatologischen Firma unter den Nagel gerissen hatte.
    Sie hatten verabredet, sich im Gostiny Dwor zu treffen. In den zwei Jahren, in denen sie schon zusammen waren, war das Mädchen kein einziges Mal pünktlich erschienen. Trotzdem kam er etwas vor der Zeit. Er suchte sich einen günstigen Platz und begann zu warten. Die Rolltreppe spie die Menschen geradezu hervor. Alle Mädchen hatten Pickel im Gesicht. Zehn Minuten vergingen – zwanzig – vierzig ... Vierzig Minuten waren sogar für sie reichlich viel. Er ging auf die Straße, rauchte eine Zigarette. Die Erinnerung, diese Schlange, schob ihm Tausende von Momentaufnahmen unter. Kommt sie nicht? Kommt sie wirklich nicht? Die Hand, in der er die Blumen hielt, war schon längst verschwitzt. Er ging die Gründe durch, aus denen sie vielleicht nicht kommen konnte. Es gab keine Gründe – aber sie gab es auch nicht!
    Eine Stunde war vergangen. Länger zu warten hatte keinen Sinn. Er holte die Kopfhörer des Walkman aus der Tasche. Wohin mit diesem idiotischen Strauß? Alles in ihm stürzte vor Trauer zusammen – vor Entsetzen – vor Verzweiflung. Und da erschien sie. Niemals hatte er so lange auf das Mädchen gewartet, Ehrenwort! Warum kam sie zu spät? Wie, war sie denn zu spät? Um wie viel Uhr hatten wir uns denn verabredet? Was soll das heißen, um sieben? Wir hatten uns doch um acht verabredet! Wirklich um sieben? Hm, das ist ja dumm gelaufen, entschuldige ... Über ihrem Kopf hing eine Reklame von Baskin-Robbins mit einer fetten, herzförmigen rosa Torte. Ihm kam es vor, als ob das Herz blute.
    Der Wirt des »Cat« war gleichzeitig auch ein Graf, Vorsitzender einer der Petersburger Adelsgesellschaften. Auf der Speisekarte entdeckte der junge Mann ein Gericht, das sich »Forelle von den karelischen Gütern des Herrn Grafen« nannte. Er bestellte für sie die teuersten Whiskysorten, und zum Nachtisch brachte man ihnen eine ganze Ananas, die mit Schlagsahne gefüllt war.
    Nach der Ananas sagte er zum Kellner: »Jetzt, äh ... Jetzt könnten wir vielleicht, hm, noch ...« Der Kellner beugte sich herab und flüsterte ihm zu, dass die vierhundert Dollar, die in ihre Einladungskarten eingetragen waren, schon verbraucht seien. Aber wenn sie für Bargeld weitermachen wollten ... Er blickte auf die Preise und bekam graue Haare.
    Ein paar Tage zuvor hatte ihn Oleg Almasow, der DJ von EldoRadio, in der Redaktion angerufen. Er habe auf dem Cover der letzten Nummer der Zeitschrift das Gesicht von Alla Dowlatowa, DJ bei Radio-Modern, gesehen, hieße das, dass auf dem Cover der nächsten Nummer bereits sein eigenes Gesicht auftauchen könnte? Und wenn ja, könnte er sich dann nicht mit dem verehrten Herrn Redakteur im Club »Luna« treffen, wo Oleg die Nightshow moderierte, und bei einem Glas J&B alles in Ruhe erörtern?
    Die Dowlatowa war nur deshalb auf das Cover gekommen, weil sie ihrem Pressesekretär, einem Freund des jungen Mannes, hundertfünfzig Dollar gezahlt hatte. Er hatte nichts dagegen, von Almasow ebenfalls Geld zu bekommen. Aber um das Mädchen einladen

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