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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Rhythmus durchhalten würde. Schon nach einer Woche würden die Gäste kaum noch imstande sein, »Muh« zu sagen, geschweige denn, einen Toast auszubringen. Trotzdem schrieb er eine entsprechende Pressemitteilung, jagte sie an alle Redaktionsfaxe und trank Kognak. »Das ist armenischer. Den werden seine Gäste trinken.«
    Sie rief nicht an. Makejew fürchtete, das Konsulat werde die Visa nicht rechtzeitig ausstellen. Er drängte zur Eile, und am Tag der Pressekonferenz gab ihm der junge Mann seinen Auslandspass. Die Brücken waren verbrannt. An jenem Tag war Makejew noch betrunkener als üblich. Als er das Wort an seinen Sponsor übergab, zeigte er mit dem Finger auf den baumstarken, schnurrbärtigen älteren Mann und sagte: »Sie haben das Wort, Nataschetschka.«
    Dann bat man die Gäste zu Tisch, und schnell wetteiferten alle mit Makejew. Das Gelage verlief höchst anregend und endete mit einer ausgewachsenen Schlägerei, in deren Verlauf eine kleine Statue von ihrem Postament purzelte, die aus einem Dutzend Händen, kunterbunt vermengt mit ebenso vielen Phalli, bestand. Makejew wurde augenblicklich nüchtern und brüllte, die Statue koste sechzehn grüne Riesen, und schubste alle auf die Straße.
    Er hatte einen ganzen Haufen Geld, denn Makejew hatte ihm einen Vorschuss gegeben. In seinem Rucksack lagen mehrere Flaschen Chwantschkara und Kognak; bevor er wegging, hatte er alles vom Tisch geharkt, was er erreichen konnte. Er versuchte, irgendwen anzurufen, in die Redaktion zu gehen. Die Laternen beleuchteten melancholisch die leeren Straßen. Wäre er mit diesem Rucksack bei seinem Mädchen aufgetaucht, hätte sie sich gefreut wie ein Kind. Flaschenklirrend schlenderte er durch die Stadt und hatte keine Ahnung, wohin mit sich.
    Es ist unmöglich, allein zu trinken. Wie halten die Kerle in den amerikanischen Reißern das bloß aus? Früher oder später setzt man sich doch zu irgendwem und fängt ein Gespräch an, mit dem dümmsten Satz, der einem einfällt. Es war schon Nacht, als er ins Restaurant »Altes Schloss« ging und ehrlich bekannte, dass er selber Alkohol dabeihabe, aber etwas zu essen bestellen könne.
    An seinen Tisch setzte sich ein stoppelbärtiger Typ im Jackett. Der junge Mann plauderte mit ihm über Paris. Bateaux, vertäut an Kais, die niedriger als die in Petersburg sind. Morgens kriechen ulkige Clochards unter den Brücken hervor. Dünne, nervöse Brünette trinken in den Cafés chantants siebzigprozentigen Absinth. Als sie vom Chwantschkara zum Kognak übergingen, stand der Typ vom Tisch auf und schlug ihm mit der Faust auf die Nase. Am nächsten Morgen klingelte in der Wohnung des jungen Mannes endlich das Telefon.
    Einen halben Tag lang legte er sich Eis auf die Nasenwurzel, und dann war sie da: feucht – heiß und feucht – sie glühte vor feuchter Hitze – ihm wurde schwindlig, fast wäre er gefallen ... »Was machst du mit mir?!« Abends ging er zu Makejew und holte sich seinen Pass ab. Der plauderte mit einer halb leeren Flasche Kognak. Der junge Mann sagte ihm nicht den wahren Grund, aus dem er nicht mitfahren konnte. Er faselte etwas von einer dringenden Arbeit. Der wahre Grund war ohne Mühe am weiß verschmierten Hosenschlitz seiner Jeans abzulesen. Beim Gedanken an diesen Grund begannen ihm widerlich die Lippen zu zittern, und er hatte Lust zu rauchen.
    Ein Jahr nach Paris, in ihrem LETZTEN Herbst, stattete der Botschafter des Dalai-Lama, der tibetanische Mönch Gesche Thinlei, Petersburg einen Besuch ab. Er war groß, kahl geschoren und trug an seinem hageren Arm, der aus dem Ärmel des Mönchsumhangs ragte, eine goldene Rolex. Der junge Mann schrieb einen Zeitungsartikel über den Besuch. Das Foto des Tibetaners kam auf die erste Seite. Eine Woche später traf aus dem chinesischen Konsulat eine offizielle Protestnote in der Redaktion der Zeitung ein. Tibet ist für China so was Ähnliches wie Tschetschenien für Russland: ein lästiges Steinchen im Stiefel einer Großmacht. Die Chinesen wehrten sich dagegen, dass sich irgendwer ungefragt in ihre inneren Angelegenheiten einmischte.
    Der Redakteur sagte, ein internationaler Skandal habe ihm gerade noch gefehlt. Der junge Mann musste zum Konsulat pilgern und die Scharte wieder auswetzen. Der Konsul saß auf einem niedrigen Plüschsofa und war auch selbst irgendwie sehr niedrig und plüschig. Er hatte dünne, kleine Finger wie ein Vögelchen – richtig eklig. Der Konsul bewirtete ihn mit Tee und erklärte, der junge Mann habe einen

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