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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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zum Himmel empor, und dann sind Sie plötzlich ganz unten. Sie sind imstande, Ihrem besten Freund in die Schnauze zu hauen oder mitten im Restaurant zu pinkeln. Am nächsten Morgen können Sie sich an nichts erinnern, höchstens noch an die erschrockenen Augen der Frauen und das peinliche Gefühl des Fliegens.
    Dann kaufte Jan ein paar Flaschen georgischen Rotwein, und alle fuhren mit zu ihm nach Hause. Der Platz im Taxi neben dem jungen Mann war frei, aber sie setzte sich nach vorn, neben den Fahrer. Soll ich wirklich Wein trinken? – quälte er sich. Nach Wodka etwas anderes zu trinken ist das Gleiche, wie Sex mit verbundenen Augen zu haben oder sich in einem dunklen Hof zu prügeln, ohne das Gesicht des Gegners zu sehen. Du weißt nie, wie das endet.
    Auf Jans Treppe stolperte er und wäre fast gefallen. In der Wohnung zischte sie ihm ins Ohr: »Was machen wir hier überhaupt, und wann hörst du endlich auf zu trinken?« Sie setzten sich in die Küche, und die Dostojewskaja versuchte, etwas zu kochen. Er trank dann doch noch vom Wein, und Jan kaufte noch mehr. Der Wein hinterließ roten, krümeligen Bodensatz. Über die Zimmer verteilten sie sich erst gegen vier Uhr. Sie legte sich sofort hin, und er ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.
    Als er ins Zimmer kam, schlief sie. Ihre schwarzen Haare dufteten genauso wie in ihrer ersten Nacht. Das Zimmer war klein, an der Wand hing ein Porträt von Trotzki. Er setzte sich aufs Bett und versuchte, sie zu wecken. Das Mädchen wollte um nichts in der Welt aufwachen. Er weckte sie trotzdem, aber sie sagte, das Gesicht verziehend, sie sei müde und habe keine Lust. Sogar als sie wieder eingeschlafen war, hatte sie noch das böse Gesicht eines Menschen, der zum Gegenangriff bereit ist. Er ging in die Küche zurück. Im Aschenbecher lagen die Leichen der bis zum Filter heruntergerauchten Zigaretten. Er kippte die Weinreste aus einem der Gläser in sich hinein. Zog sich an, machte die Wohnungstür hinter sich zu und ging. Die Straße hüpfte vor seinen Augen wie ein Weihnachtsbaum. Er hatte damals, in der ersten Nacht, keinen Sex mit ihr gehabt, nun hatte es auch in der letzten keinen gegeben. Dass diese Nacht die letzte war, hatte er schnell begriffen.
    Zwei Jahre hintereinander hatte er alle Eier begeistert nicht nur in immer den gleichen Korb, sondern sogar in das gleiche Billardloch gelegt. Was auch geschah, er wusste: Sie ist bei ihm, und alles ist wunderbar. Und nun war sie plötzlich nicht mehr da ... Was sollte er jetzt tun? Was, frage ich Sie! Das war wirklich sein Leben, und wie dumm war es doch! Falls Sie es nicht bemerkt haben, das Wort »Liebe« habe ich in diesem Buch nicht ein einziges Mal benutzt, aber wenn es im Leben des jungen Mannes Liebe gab, so haben Sie die Geschichte dieser Liebe vor sich. Aber Verzeihung, hat DAS denn was mit Liebe zu tun? Vielleicht hätte er Liebe lernen sollen, so wie er in der Schule Mathematik gelernt hatte, von der er bis heute nichts verstand?
    Vor zwei Frühlingen und drei Herbsten hatte er sie getroffen, hatte alles liegen und stehen lassen und sich gefühlt wie ein Action-Held, der eine Sekunde vor dem Abspann die großäugige Schönheit packt und in seine Arme reißt. Woher sollte er wissen, dass nach dem letzten, leinwandfüllenden Kuss alles erst anfängt? Dass auf der anderen Seite der Leinwand viel zu viele einsame Abende bleiben, geifernde Schreie in das früher geliebte Gesicht, viel zu viel Alkohol und überflüssige Dritte beiderlei Geschlechts?
    Vor kurzem war er nach einem widerlichen, viele Tage dauernden Besäufnis in einer fremden Wohnung, vor dem Fernseher liegend, eingeschlafen. Danach hatte er sich nach Hause geschleppt, geraucht und geweint. Lass mich nur noch über den Winter kommen, betete er, nur noch die nächsten paar Monate überleben. Kommt der Mai, taucht etwas Neues auf, dann kann man versuchen, die Scherben wieder zusammenzufügen, irgendeinen Sinn, egal welchen, zu finden.
    Sein Tag ist jetzt leer und unnütz. Auf die Straße geht er selten, manchmal sitzt er eine ganze Woche zu Hause. Wohin soll er gehen? Alles, was geschehen konnte, war schon da – und ist zu Ende. Der Abend kommt, und er legt sich schlafen. Von den zwei letzten Jahren sind ihm nur einige seltsame Gegenstände geblieben. Ein Blatt Papier, auf das das Mädchen einmal geschrieben hat, er sei zwar ein Wichser, aber sie liebe ihn trotzdem – liebte – ihre lustigen Socken mit den Schiffchen. Er hatte sie immer

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