Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
Vom Netzwerk:
Analyse ist zwar in ihrer Schlichtheit nicht akzeptabel, gleichwohl überaus hilfreich, warnt sie uns doch davor, denselben Fehler noch einmal zu begehen: Es kann nämlich in einem solch zirkulären System wie einer Subventionsstruktur, die aus Geben und Nehmen, aus Anreiz und Belohnung besteht, keine derart klaren Rollenzuschreibungen geben. Die US -Regierung hat zwar jahrzehntelang Mikronesien finanziert und die Menschen damit für ihre Hilflosigkeit gleichsam belohnt, zugleich aber haben sich die Mikronesier vom eigenen Belohnungssystem so sehr beeindrucken und ihren freien Willen derart sedieren lassen, daß sie ihre Eigenständigkeit aufgaben; dieser Verlust an Autonomie wiederum verstärkte den Druck auf die USA , weiter finanzielle Zuwendungen zu leisten, die wiederum die Mikronesier noch abhängiger machten.
    Exakt derselben selbststabilisierenden Dynamik folgt die Förderung der Schwarzen und deren sinkende Bereitschaft, sich zu engagieren: Die erwähnte Affirmative Action verstärkt deren Lethargie und reagiert auf sie, ebenso wie deren Lethargie sie auslöst und ihre Stabilisierung erst der Förderung verdankt. Einem Element in diesem Kreisverkehr die Rolle des (bösen) Täters zuzuschreiben und dem anderen jene des (unschuldigen) Opfers wäre ebenso naiv wie falsch. Die «Wahrheit» finden wir vielmehr in der Kreisbewegung der stets von neuem aufeinander reagierenden Elemente des Ganzen.
    Doch bevor ich mich mit der Frage beschäftige, welchen Anteil Menschen, denen wir etwas versprechen, daran haben können, unsere Absichten ins Gegenteil zu verkehren, will ich noch kurz bei uns bleiben, die wir diese Versprechen machen. Es droht uns nämlich eine weitere Gefahr, das Gegenteil des Gewünschten zu erreichen: durch die Bedingungen, an die wir unsere Belohnungen knüpfen – und durch die Methoden, diese Bedingungen zu bewerten. Solange wir die eigenen Kinder zur Erledigung ihrer Mathe-Hausaufgaben motivieren, indem wir ihnen einen Eisbecher versprechen, dürfte die Sache klappen: Die Kinder müssen nur ein paar einfache Rechenaufgaben erledigen, und um zu beurteilen, ob sie ihre Belohnung verdient haben, müssen wir nur die Ergebnisse ihrer Rechnungen nachprüfen. Wenn sie stimmen, gibt es das Eis, wenn nicht, meist auch – aber das ist ein anderes Thema. Ungleich größer ist die Gefahr, den Zweck unseres Wenn-dann-Spiels zu unterlaufen, wenn die Ausschüttung der Belohnung an deutlich komplexere Bedingungen geknüpft ist als an die Erledigung einfacher Rechenaufgaben.
    Wie zum Beispiel bei der Förderung von Spitzenleistungen in Schulen, im Gesundheitswesen und an Universitäten. Auch diese Programme arbeiten mit einer einfachen Belohnungsmechanik: Wenn du spitze bist, liebe Professorin, lieber Schuldirektor, liebe Ärztin, lieber Manager – so lautet das unmißverständliche Versprechen –, dann bekommst du mehr Geld, den Status einer Exzellenz-Uni und einen goldenen Pokal, den du dir ins Regal stellen kannst, damit du deine abgegangenen Hemdknöpfe reinlegen kannst. Die Probleme beginnen mit den Bedingungen, an die die Vergabe der Belohnungen geknüpft sind. Und die gestalten sich deutlich schwieriger, als bloß eine einfache Rechenaufgabe anzufertigen. Dirk Helbing kann die Probleme deshalb so genau benennen, weil er sie sowohl als Theoretiker als auch Universitäts-Praktiker aus nächster Nähe kennt, lehrt er doch Soziologie an der ETH Zürich. Die Versuche, Institutionen durch Belohnungen zu fördern, führten «nicht unbedingt zu einem leistungsfähigeren System», sagt er. «Wir sind immer mehr damit beschäftigt, unsere Leistungen zu dokumentieren, damit wir eine Basis haben, auf der wir uns um diese Förderungen bewerben können.» Die Institutionen, die über die Vergabe der Belohnungen zu entscheiden haben, brauchen ja eine Grundlage, auf der sie ihre Entscheidungen treffen können; und diese Grundlage muß von all jenen geliefert werden, die sich um eine Förderung bewerben. Das führe dazu, daß den Ärzten, Wissenschaftlern und Schulen immer weniger Zeit dafür bleibe, ihre eigentlichen Aufgaben zu erledigen: zu forschen, sich um die Patienten zu kümmern, zu unterrichten.
    Daher greifen all jene, die Förderungen gewähren, auf wenig hilfreiche Weise in jenes System ein, das sie eigentlich fördern wollen. Oder deutlicher: Eine zu starke Fokussierung auf das Qualitätsmanagement könne «im höchsten Grade systemschädigend wirken», wie das Helbing formuliert. Und dennoch würden

Weitere Kostenlose Bücher