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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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erhielten führende Wirtschaftsleute im Jahr 2008 «mindestens 50  Prozent ihres Gehalts in Form von Tantiemen etc.», wie das internationale Beratungsunternehmen Towers Watson in einer einschlägigen Untersuchung herausgefunden hat. [112] In Deutschland machten die «variablen Vergütungskomponenten» der Top-Manager etwas weniger, durchschnittlich « 35  Prozent ihres Grundgehalts aus», in den USA hingegen mindestens 45  Prozent.
    Bonus-Systeme wirken auf den ersten Blick sehr vernünftig. Wer könnte schon etwas dagegen haben, Belohnungen zu versprechen, um Manager zu Höchstleistungen anzustacheln? Grundsätzlich gesehen niemand. In diesem speziellen Fall schon. Da nämlich die Höhe der Boni von
kurzfristigen
Erfolgen abhing, unternahmen die Manager alles, um
kurzfristig
erfolgreich zu sein: steigerten den Unternehmenswert, ohne sich darum zu kümmern, was in zehn Jahren sein würde; nahmen langfristige Risiken in Kauf, da sie für ihre Beurteilung irrelevant waren; ignorierten mittelfristig vielversprechende Strategien und so fort. Das heißt: Das Wenn-dann-Spiel funktionierte ganz hervorragend: Die Top-Manager lieferten exakt jene Ergebnisse, für die man ihnen eine hohe Belohnung versprochen hatte – und ruinierten damit die Wirtschaft. Nun wäre es vermessen, die Finanzkrise auf diesen einen Mechanismus zurückführen zu wollen – doch liefert das Beispiel einen unübersehbaren Hinweis darauf, welche Dynamik Versprechungen entfalten können und wie sie sich, gemeinsam mit weiteren Faktoren, zu einer Krise potenzieren können, die niemand wollte und für die sich am Ende niemand verantwortlich fühlt. Das wirklich Beunruhigende an der Sache ist, daß sich nach Auskunft von Ökonomen an diesem System nicht viel geändert hat. Nach wie vor wird kurzfristig erfolgreiches Handeln belohnt – und wenn diese Praxis einmal kritisiert wird, dann erst, wenn die Top-Manager schon wieder weg sind.
    Ganz ähnliche Kollateralschäden werden einer Reihe von Systemen angelastet, die – in der Regel – sinnvollen und edlen Zielen dienen: der Entwicklungs- und Arbeitslosenhilfe sowie all jenen Programmen, die unterprivilegierte Menschen bilden und ermutigen sollen. Auch hier zielt der zentrale Vorwurf in dieselbe Richtung: Die Anreize dieser Systeme zeigten zwar Wirkung, aber in der Mehrzahl gesellschaftlich gesehen wenig sinnvolle. So antwortete etwa der schwarze Experte für Rassenbeziehungen in den USA , Shelby Steele, auf die Frage der
Süddeutschen Zeitung
vom 4 . Juli 2009 «Würden Sie
Affirmative Action
, die Unterstützungsmaßnahmen wie den erleichterten Zugang zu Universitäten für die Farbigen, wieder abschaffen?» das folgende: «Je schneller, desto besser. Wenn man alles umsonst bekommt, wie soll man dann je lernen, Dinge zu erwerben? Ermuntere mich zum Wettbewerb, fordere etwas von mir und biete mir etwas dafür! Die Regierung kommt immerfort mit neuen Gesetzen, die die Menschen, denen sie helfen sollen, nur schwächen. Warum werden sie nicht besser? Weil es keinen Grund gibt, besser zu werden. Je schwächer wir werden, desto mehr kriegen wir.» Shelby Steele beschreibt damit illusionslos die fatalen Auswirkungen eines Systems, das im Übermaß Versprechungen macht und Belohnungen verteilt – damit aber Verhaltensweisen fördert, die im diametralen Gegensatz zu den politischen Bemühungen stehen. Daß er mit dieser Analyse zwar in die richtige Richtung weist, aber ein wenig zu kurz greift, sehen wir im Zusammenhang mit dem nächsten Beispiel.
    Es stammt von Randall Fitzgerald, einem investigativen Journalisten und Buchautor. Er hat es bereits im Jahr 1988 beschrieben [113] , als er auf die Geschichte von Mikronesien zurückblickte. Die 150   000 Einwohner zählende Inselgruppe im westlichen Pazifischen Ozean hat zwischen 1947 und 1985 rund 2 , 4  Milliarden US -Dollar Entwicklungshilfe erhalten. Das Resultat: Die Agrarproduktion ist um mehr als 50  Prozent zurückgegangen, die Einfuhr von Lebensmitteln um das Fünffache gestiegen. Mit einem Wort: Die Menschen haben sich vollkommen von den fremden Zuwendungen abhängig gemacht. Hauro Willter, der Minister für die Verwaltung auf Mikronesien, hat versucht, der US -Regierung die alleinige Schuld an dieser Entwicklung zuzuschreiben: Sie habe den Inselbewohnern «alles gegeben», sie aber «nicht aufgefordert, irgendetwas selbst in die Hand zu nehmen», sie also für das falsche Verhalten belohnt und dadurch alles noch schlimmer gemacht. Diese

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