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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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allermeisten Menschen auf Befremden oder Unverständnis stoßen dürfte. Wenn wir zudem an die weiter oben beschriebene Eigenart von Systemen zurückdenken, daß andere auf unsere Handlungen reagieren, worauf wiederum wir reagieren und so weiter – dann wird recht schnell plausibel, daß paradoxe Aufforderungen alle Beteiligten in Mitleidenschaft ziehen, am heftigsten Kinder. Denn für diese besteht definitiv
keine Chance
, aus diesem Ringelspiel von Aktion und Reaktion auszusteigen. Für sie sind diese Doppelbindungen eine harte Realität, mit der sie sich um jeden Preis arrangieren müssen.
    Doch wie sollen wir uns mit einer Realität arrangieren, in der wir einer Aufforderung zuwiderhandeln, wenn wir sie erfüllen, und sie erfüllen, wenn wir sie mißachten? Watzlawick hat darüber ein paar Vermutungen angestellt. So könne zum Beispiel der Adressat annehmen, er habe die Aufforderung nicht verstanden, und daraufhin eigenartige Theorien entwickeln, was damit gemeint sein könnte. Eine andere Möglichkeit wäre, auf geistlose Weise zu versuchen, allen Anweisungen zu folgen, obwohl es unmöglich ist. Ein weiterer Ausweg besteht darin, die Kommunikation mit dem doppelbindenden Absender zu verändern: sich daraus zurückzuziehen; in besinnungslose Hektik zu verfallen, um die Paradoxien zu übertönen oder unklar zu kommunizieren, damit sie verschwinden. Die radikalste Reaktion besteht darin, daß der Adressat die paradoxen Aufforderungen zu meistern versucht, indem er «gleichzeitig reagiert und nicht-reagiert» [154]  – ein Verhalten, das gemeinhin dem Krankheitsbild der Schizophrenie zugerechnet wird.
    Wir sehen also: Paradoxe Aufforderungen können eine verheerende Wirkung entfalten, vor allem bei Kindern, die sich zum Beispiel mit zwei einander widersprechenden Aufforderungen ihrer Eltern konfrontiert sehen können, für deren Nichterfüllung sie in beiden Fällen bestraft werden. Eine aussichtslose Lage, aus der sie sich nur durch die komplexesten Verrenkungen zu befreien versuchen können. Nicht, ohne sich dabei selbst zu schädigen. Doch unabhängig davon, wie die konkreten Reaktionen der Betroffenen auch aussehen mögen – eines wird in jedem Fall geschehen: Es gibt kein Entkommen aus der einmal etablierten Doppelbindung: «Weder die eine noch die andere Alternative steht tatsächlich offen, und ein selbstverewigender, oszillierender Prozeß wird in Gang gesetzt.» [155] Doppelbindungen sind also die autoritäre Variante jener Interventionen, die wir im Kapitel «Verführerische Störungen» kennengelernt haben. Aus denen konnte sich unser Gegenüber jederzeit verabschieden, indem er sagt: «Du sagst, ich kann das nicht? Mag sein – was kümmert es dich!» Erledigt.
    Watzlawick hält die beschriebenen Doppelbindungen für ein «grundlegendes Existenzproblem» [156] , dem wir im Alltag immer wieder begegnen. Es hängt von den konkreten Zusammenhängen ab, wann und in welcher Radikalität sie entstehen und wie sehr sie dazu in der Lage sind, eine ganze Familie ins Unglück zu stürzen oder bloß ein wenig auf Trab zu halten. Ein Grund für ihr Auftreten ist in dem Zusammenprall unserer einfachen Welterklärungsmodelle mit den Ambivalenzen des Lebens zu suchen. So müssen wir davon ausgehen, daß unser Partner keine Ahnung davon hat, in welch ausweglose Situation er uns bringt, wenn er uns auffordert, spontan zum Abendessen eingeladen zu werden (und es nicht jedesmal einfordern zu müssen). Unser auf Einfachheit gepoltes Gehirn ist mit der Einsicht in die Komplexität der Welt überfordert – was uns nicht davor bewahrt, durch die einfachsten Wünsche die paradoxesten Konstellationen zu konstruieren.
    An dieser Stelle ein kurzer Hinweis: Wir sollten die eben geschilderten Doppelbindungen keinesfalls mit jenen Ambivalenzen verwechseln, von denen weiter oben die Rede war. Sich in einer ambivalenten, also doppeldeutigen Situation zu befinden, heißt zu akzeptieren, daß wir zwei Dinge gleichzeitig fühlen oder sein können bzw. sind: fröhlich und traurig, mächtig und ohnmächtig, alt und jung, dumm und klug. Die einzige Möglichkeit, damit umzugehen, besteht darin, sie auszuhalten. Oder zu genießen. Oder zwischen ihnen zu oszillieren, wie Scheidungskinder das tun, wenn ihr Vater und ihre Mutter einander bekriegen. Solche Kinder haben notgedrungen gelernt, daß sie zwischen zwei sehr verschiedenen Welten pendeln können, zu denen sie je zur Hälfte gehören. Haben sie das erst einmal akzeptiert, dann ist

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