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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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wir noch schneller und effektiver unglücklicher werden können, wodurch jedem aufmerksamen Leser binnen kurzem klarwerden muß: Wenn ich dazu in der Lage bin, mein Unglück zu
vergrößern
, dann habe ich auch die Macht darüber, es gegebenenfalls auch zu
verkleinern
, um glücklicher zu werden.
    Beleuchten Sie die Katastrophe, um sie ändern zu können: So ist es auch weiter nicht verwunderlich, daß sich durch Symptomverschreibungen sogar architektonische Projekte realisieren lassen. Zumindest ist das jenen Leuten gelungen, die in Köthen für die Stadtplanung verantwortlich sind, der ehemaligen Residenzstadt und dem Wohnort des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann. Der Stadt in Sachsen-Anhalt ging und geht es wie vielen anderen ostdeutschen Städten auch: Sie schrumpft und verfällt, da Arbeitsplätze fehlen, die Jungen wegziehen und das Steueraufkommen sinkt. Besonders betroffen davon war in Köthen die Ludwigstraße, wo viele Wohnungen leer standen. So entschloß man sich im Jahr 2006 zu einer Symptomverschreibung besonderer Art. Der Journalist Tobias Timm [161] hat die Sache folgenderweise beschrieben: «Durch eine paradoxe Intervention verschlechterte man zunächst die Situation für die Anwohner: Nachts wurde die normale Straßenbeleuchtung ausgeschaltet, während die leer stehenden, vom Abriss bedrohten Altbauten mit Scheinwerfern angestrahlt wurden. Den Anwohnern wurde durch die Inszenierung der Geisterhäuser bewusst gemacht, in welch depressiver Lage sich diese Straße befand. Die Provokation zeigte Wirkung, anliegende Eigentümer kauften einige der leer stehenden Häuser auf und sanierten sie. Sie strahlen jetzt in Bonbonfarben.»
    Machen Sie sich keine Sorgen, ob die anderen mitspielen – sie spielen
immer
mit: Was geschieht eigentlich, wenn die Menschen, die wir da in Doppelbindungen zu verstricken suchen, keine Lust haben mitzumachen? Diese Frage ist schnell beantwortet und ein bißchen weniger schnell erklärt: Es macht nichts, wenn sie
nicht
mitmachen, denn
auch dann
machen sie mit. Darin besteht ja gerade die Macht der Doppelbindung; daß sie unser Gegenüber zweifach bindet. Und nicht nur das: Haben Sie ihn solcherart gebunden, verschwindet dessen selbstschädigendes Verhalten auf jeden Fall. Zur Erklärung: Bei einer paradoxen Intervention sagen wir unserem Gegenüber ja erst, daß es genau das machen soll, worunter es leidet. So geben wir zum Beispiel jemandem, der unter einem Ordnungsfimmel leidet, den Auftrag: «Bitte, seien Sie von nun an
noch
ordentlicher!» Im nächsten Schritt erklären wir ihm, daß genau diese Symptomverstärkung für seine Heilung vom Ordnungsfimmel unabdingbar sei. Eine paradoxe Anweisung, sagt sie doch im Kern nichts anderes, als daß sich der andere nur ändern kann, indem er sich
nicht
ändert.
    Verkürzt gesagt: «Bleib, wie du bist – nur so kannst du ein anderer werden!» Doch damit kommt die Sache erst richtig in Schwung, denn nun gerät der Ordnungsfanatiker in eine «unhaltbare Situation», wie Watzlawick schreibt [162] : «Wenn er die Aufforderung befolgt, so kann er ‹es› nicht mehr
nicht
tun; er tut ‹es› absichtlich, wodurch … ‹es› unmöglich wird und der Zweck der Behandlung erreicht ist. Wenn er der Aufforderung Widerstand leisten will, so kann er es nur durch nicht-symptomatisches Verhalten tun, womit der Zweck der Behandlung ebenfalls erreicht ist.» Mit einem Wort: Unser Ordnungsfanatiker hat nicht die geringste Chance zu bleiben, wie er ist. Denn wenn er unserer Anweisung folgt, besonders genau zu sein, dann verliert sein Verhalten jede Form von Zwanghaftigkeit – er beginnt, darüber zu verfügen, und kann es nötigenfalls verändern. So wie die eingangs beschriebenen Kinder es schaffen, über ihren Schmerz zu verfügen und ihn zu reduzieren. Denkt sich unser Ordnungsfanatiker hingegen, er werde den Teufel tun, unsere Anweisungen zu befolgen, ist es mit dem Ordnungsfanatikertum
ebenfalls
vorbei, denn die einzige Option, unserer Anweisung
nicht
zu folgen, besteht darin, mit dem Ordnungsfanatikertum – aufzuhören.
    Etwas abstrakter gesprochen: Das eingespielte System des Ordnungsfanatikers kommt durch unsere Anweisung, doch
bitte noch ordentlicher
zu sein, völlig durcheinander. Dem Betroffenen bleibt keine andere Chance, als aus seinem bisherigen Regelwerk auszusteigen und sich neu zu sortieren. Egal, was er macht.
    Eine kleine Warnung zwischendurch: Sie sehen: nicht ungefährlich, diese Form der Intervention. Und zwar

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