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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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pöbelnd nach, packen sie am Arm, ziehen sie brutal zu sich – und spätestens jetzt wird klar, daß Sie einschreiten müssen, weil Sie sonst nicht mehr in den Spiegel sehen können und zudem am nächsten Tag in der Zeitung lesen müssen, wie abgestumpft die Menschen mittlerweile geworden seien. Was nun? Einmal angenommen, Sie sind mittelgroß, nicht besonders stark, nüchtern und mit Widerwillen gegen körperliche Gewalt ausgestattet, wie ihn die meisten von uns empfinden – dann haben Sie nicht wirklich viele Optionen, wirkungsvoll einzuschreiten. Fachleute raten, nichts zu unternehmen, was den herrschenden Aggressionspegel weiter heben könnte, geschweige denn, handgreiflich zu werden: «Selbst der tollste Kampfsportler sollte das lassen», sagt der Anti-Aggressions-Coach Oliver Lück. [164] Dafür hat er einen anderen Tip – den mit dem Affen: «Spielen Sie den völlig Durchgeknallten», rät er uns. «Wenn Sie sehen, daß jemand mit einem Messer bedroht wird, fangen Sie an zu schreien: ‹Scheiß rosa Elefanten hier in diesem verdammten Abteil!›» Eine Intervention, die ebenfalls das Ziel hat, jene Strukturen durcheinanderzuwirbeln, die die Ereignisse andernfalls ihren fatalen Lauf nehmen lassen würden. «Alle Gewalttäter tragen Opfermuster in sich, die sie über die Jahre entwickelt haben. Verrückte fallen da raus, und zwar komplett. Wenn Gewalttäter durch irgendetwas zu verunsichern sind, dann durch einen vollkommen durchgeknallten, verrückten Menschen.» Verrückt sollten wir in diesem Kontext wortwörtlich verstehen. Also als Eigenschaft von Menschen, die nicht dazu bereit sind, sich auf die Spielregeln aggressiver Männer einzulassen, sondern deren Schleife aus Aggression und Gegenaggression aufzulösen – und ein völlig neues Spiel zu beginnen. Und zwar ein Spiel, dessen Regeln
sie selbst
bestimmen. Was gäbe es Ehrenvolleres über uns zu sagen, als das geschafft zu haben? Da können wir durchaus in Kauf nehmen, zwischenzeitlich als wildgewordene Affen zu erscheinen.
    Übertreiben Sie es nicht! Und wenn, bewußt: Ja, diesen Ratschlag hatten wir schon, und zwar im Kapitel «Einfache Regeln». Dennoch erscheint er mir so wichtig, daß ich ihn kurz wiederholen will. Wir haben gesehen, daß ein wesentlicher Effekt der paradoxen Intervention darin besteht, mit dem Drive des Unerwarteten daherzukommen, was dazu führt, daß wir eine gewisse Wirkung entfalten, weil unsere Gegenüber keine Erfahrung mit diesem Spiel haben und sich dadurch leichter involvieren lassen. Machen wir hingegen das Außergewöhnliche zum Gewöhnlichen, dann werden die Menschen sich bei unserem Auftauchen entweder in Sicherheit bringen («Diesmal falle ich nicht auf dieses Zeug mit dem ‹Du kannst dich nur ändern, wenn du bleibst, wie du bist› herein!»), oder sie werden Zeit genug haben, die Ebene zu wechseln, und damit beginnen, auf der Metaebene zu kommunizieren, also über paradoxe Interventionen zu fachsimpeln. Wir haben dann natürlich immer noch die Chance, eine neue Doppelbindung aufzubauen («Das finde ich ganz wunderbar, daß du mit mir über das Thema sprechen willst. Damit hilfst du mir ganz ungemein, dich in eine Doppelbindung zu verstricken»), aber es wird langsam unnötig kompliziert, und wir sind auch nur begrenzt fähig, Kommunikationsebenen übereinanderzustapeln. Denn das übernächste Mal müßten wir auf den Versuch unseres Gesprächspartners, darüber zu kommunizieren, wie wir das letzte Mal über das Kommunizieren kommuniziert haben, eine noch kompliziertere Doppelbindung aufbauen. So nach dem Muster: «Das finde ich ganz wunderbar, daß du mit mir darüber sprechen willst, wie wir das letzte Mal über das Thema gesprochen haben. Damit hilfst du mir ganz ungemein, dich in eine doppelt gebundene Doppelbindung zu verstricken.» Was einerseits für ein Kapitel ein würdiger Abschluß ist, in dem es um komplizierte Verhältnisse ging, andererseits aber einfach zuviel des Guten ist. Und zwar jetzt!

[zur Inhaltsübersicht]
    6 . Kapitel Gekonntes Nichtstun
    Wie wir zu Verbrechern werden können, obwohl wir keinen Finger rühren; warum Buddhisten besonders gut geeignet scheinen, Weltkonzerne zu führen; und wie es kommen konnte, daß uns jemand vor dem Atomkrieg rettete, indem er nichts unternahm.
    Vom österreichischen Schriftsteller, Journalisten und Schauspieler Egon Friedell gibt es einen Text, der mit dem Titel «Die österreichische Seele» überschrieben ist. Er stammt aus dem Jahr 1926 und

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