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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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flüsterte Silvano.
    De Gussa zuckte die Achseln.
    Mit einem Mal lag der Greis auf der Liege still. Er atmete schwer. Langsam ging de Gussa näher heran. Jetzt war nichts mehr zu hören. Nicht einmal das leise Schnaufen seiner Atemzüge. Der Mann war erstarrt. Auch seine Augenlider zuckten nicht mehr. Der Bischof konnte nicht fassen, dass es so schnell gegangen war.
    Eine Bewegung am Eingang zur Kammer ließ ihn herumfahren. Konsterniert erkannte de Gussa seinen Sekretär. »Was machen Sie denn hier?«
    »Das Gleiche könnte ich auch Sie fragen, Bischof.«
    »Spionieren Sie mir etwa hinterher?«
    »Spionieren würde ich das nicht nennen.«
    »Sondern?«
    Van Loyen druckste. »Man macht sich Sorgen um Sie.«
    »Um mich?«
    Der Sekretär nickte. »Sie wirken seit einigen Tagen…« Er suchte nach den passenden Worten. »… abwesend. Und verzweifelt.«
    »Das geht Sie einen Scheißdreck an!«
    Pater Silvano riss ob dieser harschen Worte die Augen auf. Van Loyen dagegen geriet nicht aus der Fassung. Er deutete in die hintere Ecke der Kammer. »Was macht dieser Mann da?«
    »Auch das geht Sie nichts an.«
    »Ich bin zwar kein Arzt…«
    »Dann tun Sie auch nicht so, als wären Sie einer!«
    »…aber das muss ich auch nicht sein, um zu erkennen, dass er tot ist«, fuhr sein Sekretär unbeeindruckt fort. Er trat an die Bahre heran. Sein Finger legte sich auf eine der Fesseln. »Haben Sie ihn umgebracht?«
    De Gussa starrte ihn fassungslos an. »Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«
    Ungerührt erwiderte van Loyen seinen Blick. Etwas war an ihm, was de Gussa ganz und gar nicht gefiel. Zwischen den Zähnen presste er hervor: »Sie sollten besser gehen!«
    Der Anflug eines Lächelns umspielte van Loyens Mundwinkel, als er eine Verbeugung andeutete und sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und verschwand. Leise verklangen seine Schritte auf dem Weg nach oben.
    Hinter de Gussa raschelte es. Pater Silvano trat neben ihn. »Wieso ist er gestorben?«, fragte er leise.
    Der Bischof drehte sich zu der Leiche um. Er musterte sie. Er atmete durch. »Wahrscheinlich, weil er alt war.«
     
     
    Berlin
     
    Eine Böe wirbelte Schnee um Philip herum auf. Für Sekunden verschwand die Gestalt vor seinen Augen, bevor sich ihre dunklen Umrisse wieder aus dem tosenden Weiß schälten. Schwarz ummantelt. Das Gesicht hinter den hohen Aufschlägen verborgen. Philip atmete tief ein, einige Flocken landeten auf seiner Zunge. Merkwürdigerweise schmeckten sie nach bitterer Galle.
    Der Mann machte einen Schritt auf Philip zu. Er trug tatsächlich einen schwarzen Mantel, der mit Schnee und Eis übersät war. Den Kragen hatte er bis zum Kinn hochgeschlagen. Darunter war der weiße Ausschnitt seiner Halskrause zu erkennen.
    »Sie?«, fragte Philip und konnte die Erleichterung nicht verbergen.
    »Ich bin Ihnen gefolgt«, hustete der Priester aus Neukölln und strich sich das schlohweiße Haar aus der Stirn. Seine Stimme klang noch heiserer und brüchiger, als sie Philip in Erinnerung hatte. Aber das mochte auch nur an dem Sturm liegen, der in seinem Toben einfach nicht nachließ.
    »Was wollen Sie?«
    Jakob Kahlscheuer fegte sich erneut das Haar aus dem Gesicht, einmal, zweimal. Ein vergeblicher Kampf gegen den Wind. Er gab sein Bemühen auf, kam näher.
    Philip trat zurück. Auch wenn Kahlscheuer ein Mann Gottes war, er wollte nicht, dass er ihn berührte. Niemand sollte ihn mehr berühren. Er schluckte den widerlichen Geschmack der Galle seine Kehle hinunter. Niemand! Er machte noch einen Schritt von dem Priester weg. Dieser verzog das Gesicht. »Ich habe gelogen.«
    Philip musterte ihn. Er hatte mit vielem gerechnet. Aber nicht damit. Was war mit dem Pfaffen los?
    Kahlscheuer sagte: »Sie sind in Gefahr.«
    Philip schnaufte. Zu einem Lachen reichte es nicht mehr. Er fror, und seine Lippen fühlten sich an, als wäre jegliches Leben aus ihnen gewichen. »Das ist nichts Neues.«
    Kahlscheuer schwieg. Die S-Bahn schoss in den Bahnhof, bremste und hielt an. Philip setzte sich in Bewegung.
    »Ihre Großmutter ist nicht einfach so gestorben!«, rief Kahlscheuer ihm hinterher.
    Philip hielt inne. Also hatte er mit seiner Vermutung gestern Mittag im Pfarrhaus doch recht gehabt: Der Priester hatte ihm etwas verschwiegen. »Sondern?«
    Kahlscheuer schüttelte sein greises Haupt. Sein Haar flatterte empor. »Sie ist umgebracht worden.«
    Die Information überraschte Philip keineswegs. Sie passte nur zu gut zu den Ereignissen der letzten

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