Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
reden?“
„Ja.“
„Haben Sie seit unserem letzten Gespräch etwas von meiner Mutter gehört?“
Die Nonne machte eine kurze Pause. „Warum fragen Sie?“
Rachel sah sich vorsichtig um. „Weil“, begann sie, als sie sicher sein konnte, dass sich niemand in Hörweite aufhielt, „gestern eine Frau eine Führung durch das Weingut mitgemacht hat. Ich konnte sie nicht sehr gut erkennen, weil sie eine Brille trug und einen Schal um den Kopf gelegt hatte. Aber ich bin fast sicher, dass es Alyssa war.“
„Oh.“
Dieser kurze, atemlose Ausruf war alles, was Rachel hören musste. „Bitte sagen Sie es mir, Schwester. Hat sie sich bei Ihnen gemeldet?“
„Ja“, antwortete die Nonne schließlich. „Sie hat mich angerufen. Ich weiß nicht, von wo und warum sie mich anrief. Das ist nicht zur Sprache gekommen, denn in dem Moment, in dem ich wusste, dass sie es ist, habe ich ihr gesagt, dass Sie leben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was das bei ihr bewirkt hat. Sie war so glücklich, sie hat gleichzeitig gelacht und geweint, und sie hat mir unzählige Fragen über Sie gestellt.“
„Hat sie gesagt, dass sie mich sehen wollte? Dass sie nach Napa Valley kommen wollte?“
„Oh, sie wollte Sie unbedingt sehen. Sie hat mich sogar gefragt, wo Spaulding Vineyards liegt. Ich habe gesagt, sie solle vorsichtig sein, weil Sal Dassante noch immer nach ihr sucht. Aber das schien sie nicht zu stören.“
Rachels Mund war wieder trocken geworden. Sie war es, sie musste es einfach sein. „Vielen Dank, Schwester, Sie können tatsächlich Wunder wirken.“
Rachel und Sam saßen in ihrem Büro und begutachteten die Skizze eines Künstlers aus der Gegend für das Etikett, das Spaulding auf den Sauvignon Blanc kleben würde, der zur Abfüllung anstand. Ihr Telefon klingelte. Es war Gregory.
Nachdem sie sich entschuldigt und außer Hörweite begeben hatte, sagte er: „Madame Laperousse hieß vor ihrer Hochzeit Virginia Potter.“
Rachel umfasste den Hörer ein wenig fester. „Bist du sicher?“
„Hundertprozentig. Hubert Laperousse ist ein in ganz Europa bekannter Konzertpianist. Er war sogar schon in den USA auf Tournee, allerdings noch nie in Kalifornien. Nach dem Bericht zu urteilen, den mein Freund bei Interpol bekommen hat, begegneten sich Hubert und Alyssa im August 1968 in Paris. Zu dem Zeitpunkt hatte sie sich erst einige Wochen in Frankreich aufgehalten.“
Rachel verkniff sich die Tränen. Allmählich fanden alle Stücke des Puzzles ihren Platz. „Ich habe auch etwas erfahren“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Alyssa hat sich bei Schwester Mary-Catherine gemeldet und von ihr erfahren, dass ich noch lebe.“
„Also gut, jetzt hör mir zu“, sagte Gregory mit diesem ernsten Tonfall, der ihr in den letzten Tagen so vertraut geworden war. „Unternimm nichts auf eigene Faust, und sag niemandem ein Wort, nicht mal Sam und Tina.“
„Ist klar.“
„Ich hole dich morgen früh ab und bringe dich zum Haus der Laperousses. Geh nicht allein dorthin. Hast du mich verstanden?“
„Normalerweise lasse ich mir von Schlägertypen nichts sagen.“ Sie lächelte. „Ich habe dich verstanden.“
27. KAPITEL
„Wohin fährst du?“ fragte Rachel, als Gregory auf der Route 29 in Richtung Süden fuhr. „Das Haus der Laperousses liegt in der anderen Richtung.“
„Ich will nur sicher gehen, dass uns niemand folgt.“
„Warum sollte uns jemand folgen?“
„Vielleicht derjenige, der dich umbringen will. Vielleicht jemand anderes. Vielleicht auch niemand. Ich will nur kein Risiko eingehen.“
Sie unterdrückte ein Lächeln. „Sagst du mir, wohin wir fahren, oder ist das ein Staatsgeheimnis?“
Er fuhr etwas langsamer als erlaubt, was angesichts seiner Fahrweise, die Rachel inzwischen kennen gelernt hatte, nicht freiwillig geschah, sondern damit zusammenhing, dass der Berufsverkehr um diese Zeit auf der Route 29 nur im Schneckentempo vorankam.
„Wir fahren zum Frühstück ins ,The Diner’.“
„The Diner“, das zu niedrigen Preisen riesige Portionen servierte, war ein Restaurant im Stil der fünfziger Jahre und eines der beliebtesten Lokale in Napa Valley. „Das ist eine hervorragende Idee, um in der Menge unterzutauchen. Aber wenn du einen Tisch bekommen willst, musst du lange warten.“
Wie vorhergesagt, wartete eine lange Schlange hungriger Touristen darauf, einen freien Tisch zu finden. Aber wie aus heiterem Himmel tauchte eine attraktive Kellnerin auf, begrüßte Gregory wie einen seit langem
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