Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
weil er das Gefühl hatte, Kelsey habe sich ein kleines Lob verdient. „Ich werde das nicht vergessen.“ Er legte den Stift wieder auf den Schreibtisch. „Geht Alyssas Kerl auch schon mal aus dem Haus?“
„Das weiß ich nicht.“
„Finden Sie’s raus und rufen Sie mich an“, sagte er, dann legte er den Hörer auf.
Er hatte sie. Endlich würde er der Schlampe gegenübertreten können, die seinen Sohn umgebracht hatte.
Er war zu aufgeregt, um still dasitzen zu können, und begann durch das Zimmer auf und ab zu gehen. Im Geiste ging er die Begegnung bereits durch, doch zuerst musste er Alyssa davon überzeugen, sich irgendwo mit ihm zu treffen. Was hatte er davon zu wissen, wo sie war, wenn er nicht an sie herankommen konnte? Im Augenblick hatte er keine Idee, wie er vorgehen sollte, aber er war sicher, dass ihm etwas einfiel.
Etwas schneller als üblich ging er durch den Flur in sein Büro. Seitdem er im Ruhestand war, hielt er sich dort kaum noch auf, doch Maria wusste, dass sie das Zimmer bei ihrer täglichen Reinigung nicht ignorieren durfte.
Er verschloss die Tür hinter sich und ging geradewegs zur gegenüberliegenden Wand, wo hinter einem Ölgemälde seiner Heimatstadt Pozzuoli ein großer Safe versteckt war. Im Safe befanden sich eine Hand voll Dokumente, die seit Jahren dort lagen – seine Geburtsurkunde, seine Einbürgerungspapiere und ein Reisepass, den er stets verlängerte, auch wenn er nicht wusste, warum. Seit mehr als zehn Jahren war er nicht mehr nach Italien gereist.
Hinter diesen Dokumenten wurde der größte Teil des Safes von etlichen Bündeln 100-Dollar-Scheinen in Anspruch genommen, Geld, von dem das Finanzamt nichts wusste. Er griff unter einen Stapel und fühlte den Colt, den er einunddreißig Jahre zuvor einem seiner Arbeiter entwendet hatte, als er mit seiner Suche nach Alyssa begann. Er hatte ihn die ganze Zeit über in Bestzustand bewahrt, ein- oder zweimal im Jahr komplett gereinigt und auf den Moment gewartet, in dem er ihn endlich benutzen konnte.
Dieser Moment war jetzt gekommen.
Neben dem Colt befand sich ein Päckchen Munition, das er auch herausnahm. Nachdem er den Safe verschlossen hatte, setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Glitzern in seinen Augen, die Waffe zu laden.
29. KAPITEL
„Was ist los, Spaulding?“ fragte Gregory, als er auf Rachel zuging. „Willst du hier einen Rekord aufstellen?“
Rachel lächelte. Humor war ihr wesentlich lieber als Besorgnis. Davon hatte sie von Sam und Tina genug bekommen, dass es für den Rest ihres Lebens reichte. Humor hielt sie auf dem Boden der Tatsachen, und er lenkte sie von der Angst ab.
Sie hatte gegen ihre eigenen Regeln verstoßen, Gregory früh am Morgen angerufen und ihm von dem Angriff am Abend zuvor erzählt. Sie wusste, dass er außer sich gewesen wäre, wenn sie nichts gesagt hätte. Sie hatte versucht, ihm zu erklären, dass er nicht herkommen musste, dass es ihr gut ging, dass sie guter Dinge war, aber wie gewöhnlich hatte er nicht auf sie gehört.
„Was sagt Crowley dazu?“ fragte er und setzte sich, um sich eine Tasse Kaffee aus der Kanne einzuschenken, die auf dem Tisch stand.
„Nichts Ermutigendes, aber ich konnte ihm auch nicht viel sagen. Ich weiß nur, dass der Mann, der mich gestern Abend angegriffen hat, und der Mann, der mich von der Straße drängen wollte, ein und derselbe Mann sein könnten. Aber sonst ...“
Sie verfluchte sich selbst, dass sie nicht aufmerksamer gewesen war. Während sie mit dem Angreifer im Wasser gerungen hatte, hätte sie versuchen können, irgendwelche Details zu erkennen – seine Haarlänge oder die Breite seiner Schultern. Aber ihre Angst hatte das alles verhindert und ihr nur den Willen zum Überleben gelassen.
„Hast du den anderen davon erzählt? Oder Ginnie?“
„Nein“, sagte sie rasch. „Und das werde ich auch nicht. Detective Crowley meint, dass es nicht notwendig ist. Ich habe ihn auch gebeten, nicht schon wieder meine Leute zu befragen. Es ist keine interne Angelegenheit, Gregory“, fügte sie hinzu, als sie Verärgerung in seinen Augen aufflackern sah. „Außerdem würde ich jeden bei Spaulding Vineyards beleidigen, wenn ich weiterhin meine Angestellten verdächtigen würde.“
Sie stand auf, ihre Muskeln schmerzten von der Anstrengung des Vorabends. „Wir haben schon ein paar große Kunden verloren. Wenn sich herumspricht, was letzte Nacht hier geschehen ist, dann könnten unsere
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