Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
schüchternen, tollpatschigen Teenager, der auf Lukes Hochzeit die Flucht vor ihm ergriffen hatte, war nichts mehr zu sehen. Sie trug ihre Haare jetzt kurz und in einer Weise zurückgekämmt, dass ihre Wangenknochen betont wurden. Die Zahnklammer trug sie längst nicht mehr, aber die Augen waren noch immer so groß, dunkel und heiter.
Über dem Foto die Schlagzeile Salvatore Dassantes Enkelin lebt .
„Du Miststück“, murmelte er, als er den Artikel gelesen hatte. Sein Instinkt hatte ihn doch nicht getäuscht, was Annie anging. Sie hatte ihn angelogen. Alyssa Dassante und Helen Spaulding waren nicht alte Freundinnen gewesen. Sie hatten sich nicht einmal gekannt. Das hatte Annie erfunden, damit er den Fall übernahm.
Er schmiss die Zeitung auf den Schreibtisch. So viel zum Thema, nett zu anderen zu sein. Wutschnaubend nahm er den Hörer ab und wählte Annies Nummer. „Du verdammtes kleines Miststück“, brüllte er, als sie abnahm. „Du hast es gewusst, oder? Du hast die ganze Zeit gewusst, dass Rachel Alyssas Tochter ist.“
„Gregory, lass mich doch erklären ...“
„Ja oder nein?“
„Ja, aber ...“
Er knallte den Hörer auf.
15. KAPITEL
Die Stimmung im Büro von Ambrose Cavanaugh war auf dem Nullpunkt, während Rachel und Annie vor dem Schreibtisch des Anwalts saßen. Nach einem Augenblick peinlicher Stille, während der Annie mit den Fingern trommelte, sah Ambrose sie schließlich an.
„Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, Annie“, sagte er ruhig. „Und Hannah wäre das auch.“
Sofort ging Annie in die Defensive: „Was habe ich denn jetzt getan?“
„Sie haben Gregory Shaw beauftragt, damit er Alyssa Dassante findet. Das haben Sie getan.“
Das Funkeln in Annies Augen erlosch, während sie kreidebleich wurde. „Was soll denn das heißen?“ Auch diesem Wutausbruch fehlte das Feuer.
„Spiel nicht die Unschuldige, Annie“, sagte Rachel scharf. „Ich hatte dich von Anfang an in Verdacht, auch wenn ein Teil von mir nicht glauben wollte, dass du wirklich so tief sinken würdest. Sam hatte das auch nicht glauben können, darum ließ ich es eine Weile auf sich beruhen. Als dann aber die Meldung über meine wirkliche Herkunft an die Öffentlichkeit gelangte, wurde mir klar, dass es nur einen Menschen gab, der von diesem Skandal profitieren konnte. Und dieser Mensch bist du, Annie.“
„Das ist ja lächerlich!“
„Wirklich? Du hast tatsächlich nicht darauf gehofft, dass ich wegen der Klausel in Grandmas Testament die Kontrolle über das Weingut abgeben müsste?“
„Nein, daran habe ich nie gedacht!“
„Und warum hast du dann Gregory gebeten, meine leibliche Mutter ausfindig zu machen?“
Annies entsetzter Blick ging von Rachel zu Ambrose und zurück zu Rachel. „Hat er dir das gesagt?“
Rachel konnte sich ein selbstgefälliges Grinsen nicht verkneifen, während sie den Kopf schüttelte: „Nein, das habe ich selbst herausgefunden. Weißt du, Annie, du bist nicht die Einzige in dieser Familie, die schauspielern kann.“
„Was soll denn das schon wieder heißen?“
„Das soll heißen, dass ich heute in Gregorys Büro angerufen und mich für dich ausgegeben habe. Ich habe seine Sekretärin gebeten, nachzusehen, ob ich letzte Woche meine Aktentasche bei ihm habe stehen lassen. Weißt du, was sie mir gesagt hat, Annie?“
Annies Gesichtsausdruck wechselte von beunruhigt zu feindselig.
„Sie hat mir gesagt, dass sie meine Aktentasche nicht finden könne, dass sie aber auch sicher sei, mich an dem Tag nur mit einer Handtasche gesehen zu haben.“
In der folgenden Stille war lediglich das Ticken von Ambroses alter Uhr zu hören. Annie war unübersehbar geschlagen und schien förmlich kleiner zu werden. „Also gut. Ich habe Gregory gebeten, Alyssa zu finden. Aber ich schwöre, ich habe nichts damit zu tun, dass die Geschichte an die Öffentlichkeit gekommen ist. Ich war ja nicht mal in der Stadt. Ich wollte nur herausfinden, wer diese Alyssa war. Und wo sie war. Und warum niemand jemals von ihr gesprochen hatte.“
„Woher wusstest du überhaupt von Alyssa?“ fragte Rachel.
„Grandma hat es mir erzählt“, flüsterte sie.
„Grandma? Wann?“
Wieder folgte eine Pause, die diesmal noch länger ausfiel. Schließlich atmete Annie tief durch und sah Rachel direkt in die Augen. „Sie hat es mir kurz vor ihrem Tod gesagt.“
Ambrose ließ seine Brille auf den Tisch fallen. „Um Himmels willen, Annie!“
Rachel umklammerte die Armlehnen und sagte gar nichts. Als sie um
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