Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
mich denkst, ich bin kein Dreckskerl. Ich benehme mich vielleicht manchmal so, aber ich bin keiner.“
Sie unterdrückte ein Lachen. Ein Dreckskerl, ein gefühlloser Dreckskerl, genau genommen – das war exakt das gewesen, was sie von ihm nach Annies Hochzeit gedacht hatte.
„Ich wollte dich nicht verletzen, Rachel“, sagte er wieder. „Und ich wollte dich auch nicht in Verlegenheit bringen, das musst du mir glauben.“
Sie richtete sich auf und steckte ihre Hände in die Taschen. „Warum?“
„Weil es mir sehr wichtig ist.“
Als sie den Kopf hob, um ihn anzusehen, musste sie blinzeln, da die Morgensonne ihr in die Augen stach. Es wurde allmählich Zeit, ihn von seinem Elend zu befreien, aber erst wollte sie sich noch ihren Spaß haben. „Dann erzähl mir eine Sache. Wenn du schlau bist, wie jeder sagt, wie konntest du dann auf diese rührselige Geschichte hereinfallen, die dir meine Schwester aufgetischt hat?“
Sie verspürte eine gewisse Befriedigung, als sie seinen überraschten Gesichtsausdruck bemerkte. „Deine Schwester?“ fragte er leise.
„Ja, meine Schwester, die liebreizende Annie. Ich habe dich vorhin nur auf die Probe gestellt. Ich weiß, dass sie dich gebeten hat, Alyssa zu finden.“
„Das hat sie dir gesagt?“
„Nein, ich habe es selbst herausgefunden.“
Einen Moment lang sah er aus, als überlege er, wie sie das bewerkstelligt haben sollte, dann huschte ein amüsierter Ausdruck über sein Gesicht. „Du warst das also.“
„Wie meinst du das?“ fragte sie unschuldig.
„Die Geschichte mit der Aktentasche. Annie hatte sie nicht liegen lassen, und sie hatte gestern auch nicht angerufen, sondern du.“
Rachel ging zum nächsten Weinstock. „Sehr gut, Sherlock.“
Er musste herzhaft lachen. „Weiß Annie das?“
„Ja. Allerdings fand sie meinen Trick nicht annähernd so lustig wie du.“
„Das kann ich mir gut vorstellen.“
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Sie sah in seine dunkelblauen Augen und entdeckte, dass sie vor Humor sprühten.
„Ich hatte ihr die Geschichte nicht völlig abgenommen“, erwiderte er. „Nur insoweit, dass sie mir Leid tat, was offensichtlich ein Fehler gewesen war.“
Vielleicht hatte Sam ja Recht gehabt, vielleicht war Gregory tatsächlich ein netter Kerl. Aber das war auch ein Gedanke, mit dem sie sich jetzt noch nicht befassen wollte.
Sie ging die Weinstockreihe entlang und bemerkte, dass er ihr folgte.
„Das mit Hannah tut mir Leid“, sagte er sanft. „Sie war eine richtige Lady.“
Wieder war sie von seiner Aufrichtigkeit gerührt. „Sie war die Beste.“ Einen Moment lang sahen die beiden sich abermals in die Augen, dann wanderte ihr Blick wieder zu den Hügeln vor ihr. „Sie hat dich gemocht. Sie fand zwar, dass du ein wenig wild und nicht sehr sesshaft warst, aber sie hat dich immer zu den Guten gerechnet.“
„Und du?“ fragte er. „Hast du deine Meinung über mich schon geändert?“
„Die Jury berät noch darüber.“
„Dann werde ich etwas machen, um das Urteil schneller zu hören“, sagte er spielerisch. „Ich werde dir beweisen, dass deine Großmutter Recht hatte.“
Sie blieb stehen. „Und wie stellst du dir das vor?“
„Ich weiß nicht“, antwortete er schulterzuckend. „Warum gehst du nicht mit mir essen, damit wir darüber diskutieren können?“
Sie lächelte und dachte an seine letzte Liaison, die Schlagzeilen gemacht hatte. „Hätte Alexandra Bimmington nichts dagegen, wenn du eine andere Frau zum Essen einlädst?“ fragte sie.
Seine Augen funkelten vor Begeisterung und Bewunderung. „Alexandra und ich sind nicht mehr zusammen. Wieso weißt du von ihr?“
„Ich mache eben meine Hausaufgaben. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass du dich in mein Leben einmischst, bin ich in die Bibliothek gegangen, um zu sehen, was ich über dich in Erfahrung bringen kann.“
Er lachte auf die gleiche herzliche, ansteckende Weise wie früher.
„Was gibt es da zu lachen?“
„Ich bin auch in die Bibliothek gegangen und habe alles gelesen, was ich über dich finden konnte.“ Er hielt kurz inne. „Warum vergleichen wir nicht unsere Aufzeichnungen und stellen fest, wie viel davon stimmt und wie viel die Journalisten dazugedichtet haben? Wir könnten das bei einem Abendessen machen.“
„Und hartnäckig ist dieser Mensch auch noch.“
„Ist das ein Ja?“
Die Frage löste bei ihr abermals ein Lächeln aus. „Tut mir Leid, aber für das Weingut ist das jetzt gerade eine hektische
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