Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
einem weiteren Weinstock, als sie hinter sich Schritte hörte. Da sie annahm, dass es sich um den Manager des Weinguts handelte, drehte sie sich mit einem Lächeln um. Zunächst hatte sie keine Ahnung, wer der attraktive Mann sein konnte, der ihr Lächeln erwiderte. Er trug eine lässige khakifarbene Hose, ein rotes Polohemd mit irgendeinem Designerlogo auf der Brusttasche und bequeme Mokassins, insgesamt die typische Kleidung für viele Winzer im Tal.
„Hallo, Rachel“, sagte der Fremde mit tiefer, volltönender und irgendwie vertrauter Stimme.
Sie stand auf, klopfte sich die Erde von ihrer Jeans und erwiderte: „Ich fürchte, Sie sind mir gegenüber im Vorteil, Mister ...?“
„Shaw. Gregory Shaw.“
Der Schlag, der sie traf, ließ sie fast nach hinten stolpern. Sie war nicht sicher, wie lange sie dort wie angewurzelt gestanden hatte, während er sie ansah mit dem altvertrauten Lächeln. Ihr Herz schlug ein wenig schneller.
Verärgert darüber, dass sie noch immer so auf ihn reagierte, gab sie sich einen geistigen Tritt in den Allerwertesten und sah ihn lange an. Auch wenn er seit Annies Hochzeit vor sechzehn Jahren kaum gealtert war, stellte sie einige Veränderungen fest. Der Schnäuzer, der sie an Tom Selleck erinnert hatte, war verschwunden, und sein Haar trug er jetzt kürzer, doch es war immer noch schwarz und dicht, wie sie es in Erinnerung hatte. Seine Augen, die so blau wie der Ozean waren, hatten nichts von ihrer Wachsamkeit verloren. Auf irgendeine Weise sah er klüger, gebildeter aus, obwohl er lässige Kleidung trug.
Ihr erster Impuls riet ihr, ihm zu erklären, er befinde sich auf Privatbesitz und solle sich zum Teufel scheren, bevor sie den Wachdienst rief. Diese Unverfrorenheit, hier unangemeldet aufzukreuzen. Vielleicht sollte sie sich die Warnung schenken und sofort den Wachdienst rufen, um ihn hinauswerfen zu lassen.
Diese Möglichkeit war zwar sehr verlockend, hatte aber einen großen Fehler: ihre Reaktion auf seine Anwesenheit. Sie war nicht auf dieses absolut begeisterte Lächeln gefasst gewesen, das er präsentierte, während er sie von Kopf bis Fuß betrachtete. Und sie war nicht auf diesen Schwall von Gefühlen gefasst, der von ihr Besitz ergriff, während sie ihn ansah. Was war los mit ihr? Sie benahm sich so irrational wie damals als Fünfzehnjährige, als sie sich am Tag von Annies Hochzeit in ihn verliebt hatte.
„Was willst du hier, Gregory?“ fragte sie, während sie sich abwandte und wieder mit den Weinstöcken befasste.
„Ich wollte dich sehen. Wir müssen uns unterhalten.“
„Nein, das müssen wir nicht. Und wenn du mich erst angerufen hättest, dann hätte ich dir das direkt sagen können.“
„Aus exakt diesem Grund habe ich nicht angerufen. Ich wusste, dass du mich nicht sehen wolltest.“
Sie sagte nicht, dass sie ihn sehr gerne hätte sehen wollen, dass er aber nicht anwesend gewesen war. Und nachdem sie herausbekommen hatte, dass Annie ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu bekommen hatte, ihr zu helfen, war ihr Ärger größtenteils verflogen.
Sie war aber nicht bereit, ihn so leicht davonkommen zu lassen, und warf ihm einen herausfordernden Blick zu. Das war die Gelegenheit, um festzustellen, aus welchem Holz Gregory Shaw wirklich geschnitzt war. „Also gut, Gregory“, sagte sie. „Wenn du dich mit mir unterhalten willst, dann machen wir das. Ich fange an. Wer hat dich angeheuert, damit du Alyssa findest?“
Sein Gesicht verriet sofortiges Bedauern. „Tut mir Leid, Rachel, aber dazu kann ich nichts sagen.“
Ob verärgert oder nicht, sie konnte nicht anders, als die Tatsache zu bewundern, dass er nicht den leichten Ausweg gewählt und Annie angeschwärzt hatte. Er besaß doch Moral.
„Na, mach schon“, fügte er hinzu, als sie ihn weiter ansah. „Werd es endlich los. Auch wie grob und gedankenlos ich bei Lukes Hochzeit war. Du warst damals wütend auf mich, und du bist jetzt wieder wütend auf mich. Ich kann es dir nicht verdenken. Es sieht so aus, als würde ich immer nur zu dem Zweck in dein Leben kommen, um dir wehzutun. Das tut mir von Herzen Leid. Als ich den Fall übernahm, hatte ich keine Ahnung, dass du die Tochter von Alyssa Dassante bist.“
Sie ging zum nächsten Weinstock und hockte sich hin, um auch dort die gründliche Untersuchung wie bei allen anderen vorzunehmen. „Hätte es irgendeinen Unterschied gemacht?“
Er hockte sich neben sie, so nahe, dass sie sein After Shave riechen konnte. „Ja. Egal, wie du über
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