Macht nichts, Darling
Bergland-Pony.
»Warum willst du dann nicht fahren? Ist ja das Neueste, daß du einfach keine Lust hast. Nun bist du mal ganz schick eingeladen, und ein neues Kleid hast du auch — das, was Alice dir genäht hat, während du natürlich wieder nichts als Flausen im Kopf hattest — , also, was verlangst du noch?«
Sein besorgter Blick strafte den polternden Ton Lügen. Er ärgerte sich oft rechtschaffen über Sally, aber sie war doch sein ein und alles. Matthew war nie verheiratet gewesen. Stumm und anhänglich wie ein treuer Hund war er vor vielen Jahren James Leigh gefolgt, und als James so plötzlich an einem Herzinfarkt starb, hatte Matthew seine ganze Liebe und Sorge auf die neunzehnjährige Sally übertragen. In den drei Jahren, die seitdem verflossen waren, hatte er sein Möglichstes getan, ohne den Rückgang der schwer verschuldeten Farm aufhalten zu können; jedes Jahr war es trotz aller Mühe schlimmer geworden statt besser. Nun mußte die Farm verkauft werden, und weiter wagte Matt vorläufig nicht zu blicken.
Sally fragte plötzlich, als könne sie Gedanken lesen: »Matt, wenn wir die Farm verkaufen — und das muß ja nun möglichst bald geschehen — , was fangen wir beide hinterher an?«
Er wand sich innerlich. Nun kam das Problem, das ihn fortwährend quälte, doch noch zur Sprache. Er zwang sich, ganz gegen seine Natur, zu einer zuversichtlich klingenden Antwort: »Farmarbeiter sind immer gesucht. Und wenn wir einigermaßen günstig verkaufen, müßte genug Geld übrigbleiben, daß du dein... dein Dingsda fertigstudieren kannst. Ich vergess’ immer, wie es heißt. So was ähnliches wie bei Krankenschwestern, nur noch verdrehter.«
»Meine Physiotherapie, meinst du? Ach Matt, dafür ist es jetzt zu spät, und ich will auch nicht in irgendeinem gemütlichen Stadtjob unterkriechen und dich allein lassen. Du bist Vater und mir immer treu geblieben und hast nie eine angemessene Bezahlung dafür bekommen, zuletzt überhaupt keine mehr; du hast nichts als dein bißchen Kriegsrente. Vater sagte immer, wir drei gehören fürs Leben zusammen, und das meine ich auch. Wir werden schon etwas finden. Ein paar Morgen für eine Gärtnerei — keiner zieht so gutes Gemüse wie du — und dazu vielleicht noch Bienen und...«
Matthew unterbrach sie mit einer ungeschminkten Meinungsäußerung über Bienen, worauf Sally es lachend aufgab, ihn zur Imkerei zu bekehren, und nur noch hinzufügte: »Ich bin jetzt zweiundzwanzig und zu alt, um nochmal mit dem Büffeln anzufangen. Es ist mir schon damals furchtbar sauer geworden. Oh, es wird uns schon etwas einfallen. Wir wollen uns darüber Sorgen machen, wenn es soweit ist.«
»Und wer hat jetzt eben damit angefangen?« fragte Matthew mit verzeihlichem Unmut. »Alles, was ich wissen wollte, war, wieso du heute abend nicht auf die Party willst. Höchste Zeit, daß du mehr unter die Leute kommst — das ist deine beste Chance. Gott sei Dank haben deine Freunde, dieser Doktor und seine Frau, den Anfang gemacht. Vorher hat sich niemand um dich gerissen. Jetzt merken sie endlich, daß was an dir dran ist.«
»Halb so wild«, wehrte Sally bescheiden ab. »Ich glaube, sie haben mich nur eingeladen, weil der alte Mr. Lawrence neulich sehr nett zu mir war, und er ist in der Stadt ziemlich tonangebend, und Hugh als sein jüngerer Partner ist immerhin — « Sally stockte, diesmal nicht aus falscher Bescheidenheit, die sie besonders im Gespräch mit Matt sowieso nie plagte, sondern weil sie tatsächlich nicht wußte, wie sie mit Hugh stand. Er behandelte sie freundschaftlich wie immer, lud sie manchmal zum Essen ein und fuhr nie an der Farm vorüber, wenn er in der Gegend zu tun hatte. Zweifellos fühlte er sich berechtigt, an ihr herumzunörgeln. Aber ob seine Gefühle tiefer reichten, wußte sie nicht. Übrigens war ihr auch nicht ganz klar, ob ihr tiefere Gefühle bei Hugh willkommen gewesen wären.
Matthews Blick leuchtete jedoch schon bei der bloßen Namensnennung auf. Er hatte längst mit stillem Beifall bemerkt, daß der wohlhabend aussehende junge Rechtsanwalt sich für Sally interessierte. Wenn sie eine gute Partie machen könnte... Matt dachte an die verschiedenen jungen Männer, die sich im Laufe der letzten drei Jahre ebenfalls »interessiert« hatten: den Medizinstudenten, ein Überbleibsel der Studientage in Dunedin, den Viehhändler, die beiden jungen Farmer. Keiner hatte so recht Gnade vor seinen Augen gefunden. Keiner war ihm gut genug für das Mädchen, das
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