Macht: Thriller (German Edition)
erscheint mir darum mehr als unwahrscheinlich.«
»Hahaha!« Udo räusperte sich und steckte die Fingernägel in den Mund.
»Bist du anderer Meinung, Udo?« Gernot zog die Brauen zusammen.
»Himmelarsch!« Josephine riss der Geduldsfaden. »Jetzt sag endlich, was du weißt, Udo! Sollen noch mehr Leute sterben?«
»Knigge ist schuld.« Udo konnte keinem der vier anderen ins Gesicht schauen. »Adolph Freiherr Knigge hat die Freimaurer am Wiener Hof und anderswo für den Illuminatenbund gewonnen. Ohne ihn wäre der Bund der Perfektibilisten in der Schublade verrottet. Aber dank ihm ist die Mitgliederzahl explodiert.«
»Was? Wovon faselst du da?« Szombathy lachte auf und schüttelte den Kopf. »Knigge? Der sprichwörtlich gewordene Benimm-dich-Papst? – Das ist doch Blödsinn!«
Udo verdrehte die Augen und schnaufte. »Knigge ist kein Benimm-dich-Papst. Sein Buch ist kein Regelwerk für korrektes Benehmen oder wie man richtig den Tisch deckt. Es ist eine soziologische Abhandlung über die Gesellschaft und die Konversationskunst. Es ließe sich auf das Zitat zusammenfassen: Die Kunst des Umgangs des Menschen besteht darin, sich bemerkbar, geltend und geachtet zu machen, ohne beneidet zu werden. «
»Klingt für mich wie der Leitfaden zur Erstellung eines Facebook -Profils.« Gernot grinste Udo herausfordernd an.
»Ich weiß, das soll jetzt witzig sein, Gernot, aber du liegst nicht so falsch mit dieser Einschätzung!« Kernreiter erwiderte Szombathys Blick und zeigte sich unbeeindruckt. »Der Schein wird höher bewertet als das Sein, damals wie heute!«
»OK, ich steig aus!« Wotruba winkte ab. »Sie werden mir das dann später in Ruhe erklären, Frau Doktor.«
»Gerne. Weil ich denke, ich verstehe, worauf Udo hinaus will.« Josephine trat näher. »Knigges Illuminatenexperiment hätte nicht die geringste Bedeutung gewonnen, Weishaupt und der Bund der Perfektibilisten wären schnell vergessen worden. Wenn nicht fünf Jahre später, am 14. Juli 1789, die Bastille in Flammen aufgegangen wäre. Auf die Welle der Begeisterung folgte die Woge der Reaktion. Illuminat wurde gleichbedeutend mit Jakobiner. Der ehemalige Jesuit Abbé Augustin Barruel erklärte die Illuminaten für hauptverantwortlich an der Französischen Revolution. Die Wiener Zeitschrift listete 1792 Adolph Freiherr Knigge an die Spitze der Revolutionäre. Er ist vier Jahre später vierundvierzigjährig gestorben, und nach Angabe der Tochter kurz bevor ihn die Wiener Geheimpolizei mit gefälschten Briefen ehemaliger Ordensmitglieder in die Falle locken konnte.«
»Dieser Knigge war ein Illuminat. So what ?« Thorpe blickte unwirsch in die Runde. »Ich sag es nochmal: Was hat das mit dem Naturhistorischen Museum zu tun? Die Illuminaten waren längst verboten und verschwunden, als es gebaut worden ist!«
»Eben nicht!« Udo machte ein Gesicht als hätte er in die Zitrone gebissen und deutete zum Deckengemälde hinauf. »Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Die gewaltsame Zerstörung des Alten ist der Nährboden für die Entwicklung vom Niederen zum Höheren. Das ist der Kreislauf des Lebens. Das ist Weishaupts Lehre, lange bevor Darwin die Evolutionstheorie formuliert hat. – Die Spuren der Illuminaten verlieren sich 1790. Neunzig Jahre später, 1880, haben sich in München mehrere Freimaurermeister getroffen, um den verbotenen Orden Adam Weishaupts wieder aufleben zu lassen. Unter der Führung von Leopold Engel und Theodor Reuss hat das ein Jahrzehnt später offiziell geklappt. Hauptsitz der neugegründeten Illuminaten wurde Dresden. Kurz danach hat es freie öffentliche Genossenschaften von Illuminaten nicht nur in Deutschland und Österreich-Ungarn, sondern auch in Frankreich, Russland und Amerika gegeben.«
»Gut! Du behauptest, das Museum wurde genau in dem Zeitraum geplant und gebaut, in dem sich die Illuminaten neu formiert haben.« Josephine sah zu Boden und balancierte ihren Fuß auf dem Absatz. Das war harter Tobak. »Fein, soll so sein! Aber gibt es irgendwelche konkreten Hinweise für deine Theorie, Udo? Irgendetwas Aussagekräftiges? Also einmal abgesehen von den beiden Bildern.«
»Aber klar, es wird noch besser.« Kernreiter sah sich nach allen Seiten um. »In Ingolstadt erinnert eine Gedenktafel an den ersten Versammlungssaal der Illuminaten. Die Adresse lautet Theresienstraße 23, früher Am Weinmarkt 298. Das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum stehen auf dem Maria-Theresien-Platz. Die Museen sind von zwei Architekten
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