Macht: Thriller (German Edition)
sich Udo zu Wort. »Gernot, du verströmst soviel schlechte Energie, weil du nicht damit klar kommst, dass wir nicht mehr die Außenseiter sind, die wir in der Schule waren. Wir sind erwachsen geworden. Die Zeit, in der wir Star Trek-Modelle gebaut und zusammen auf die FedCon gefahren sind, ist vorbei.«
»Redet ihr nur von euch.« Dieter machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe niemals Plastikschiffchen zusammengeklebt.«
»Nein«, erwiderte Christoph trocken. »Dafür hast du die Kronen Zeitung aus den Altpapiercontainern deines Wohnbaus gesammelt und die Nackten von Seite sechs in ein leeres Heft geklebt.«
»Look who’s talking«, zischte Szombathy und fixierte Udo. »Wer verkauft alten Hofratswitwen schamanistische Gesundheitsseminare, die dann wegen Krankheit ausfallen?«
Udo sprang auf. »Wenigstens verplempere ich nicht meine Zeit mit sinnlosen Computerspielen und Internetpornos!«
»Schluss jetzt!«, donnerte Christoph und schob die beiden auseinander. Er war noch immer ein riesiger Kerl mit breiten Schultern. Auch wenn er jetzt einen Seidenanzug anhatte, unter seiner eleganten Schale steckte noch immer der zupackende Regionalligafußballer von früher.
»Scheiße!«, knurrte Gernot und deutete aus dem Fenster. »Unser Freund ist tot und liegt da draußen in einer Kiste unter der Erde. Und dieser Wichtel will mir erklären, was mein Problem ist. Ich werde euch sagen, was mein Problem ist. Wenn ich euch auf Gabriels Beerdigung frage, wie es euch geht, dann hätte ich darauf gerne eine bessere Antwort als Smalltalk, beschissene Anekdötchen und Büroklatsch, wie ihn sich Sekretärinnen an der Kaffeemaschine erzählen.« Er legte dem Rotblonden, der neben ihm auf der Couch saß, die Hand auf die Schulter. »Nur Andreas, unser Chemiker, hat mir als Einziger eine vernünftige Antwort auf meine Frage gegeben. Er hat mir erzählt, dass seine Frau schwanger ist und wie sehr er sich darüber freut. Gratuliere, Andreas!« Er schüttelte dem anderen die Hand. »Ich bin weg!«, rief er dann, schob sich durch die anderen Trauergäste und war mit wenigen Schritten beim Ausgang.
»Himmelherrgott, der macht mich noch fertig!«, schnaufte Christoph und ließ sich zurück in seinen Sessel fallen. Er hob den Kopf und wandte sich an Sophie. »Entschuldige bitte, er weiß nicht, was er redet. Er ist Alkohol nicht gewohnt und Gabriels Tod …« Er winkte ab und leerte sein Glas.
Sophie nickte betreten und schnäuzte sich in ihr Taschentuch. »Das war alles ein bisschen zu viel für uns«, flüsterte sie.
Josephine hatte mit weit aufgerissenen Augen die Szene verfolgt und war sprachlos.
»Keine Angst, der kommt schon wieder«, flüsterte ihr Sabine zu und tätschelte ihr den Schenkel. »Sowas hat er öfter, sagt Christoph. Bestimmt steht er jetzt draußen und raucht.«
Ich glaube, ich gehe besser zu ihm, dachte Mahler und erhob sich. »Entschuldigt mich bitte für einen Moment«, sagte sie zu den anderen und wollte los.
»Warte bitte noch einen Moment, bevor du zu ihm gehst«, forderte Sophie und streckte die Hand nach ihr aus. »Ich muss euch noch etwas geben. Gabriel hat euch allen eine Nachricht hinter lassen.«
6
Apollo 11, NSSDC ID 1969-059A, Meer der Stille/Mond, 20. Juli 1969
D er Adler war gelandet. Ein unbekannter Sternenhimmel wölbte sich über einer silbergrauen Wüste. Schweigen und Dunkelheit über kilometertiefen Kratern, schroffen Felsformationen und Gebirgen. Im unbewegten Ozean aus Sand und Gestein etwas Fremdes, ein Ding aus einer anderen Welt. Ein hinfälliges, spinnenbeiniges Gespinst aus Folie und Stahl. Hinter dem scharfkantigen Horizont ging ein Gestirn auf, blau mit weißen Wirbeln. Die Erde.
Drei Stunden und sechsundzwanzig Minuten, nachdem das LEM »Eagle« der NASA auf dem Mond gelandet ist. Einhundertsechs Stunden und elf Minuten Bordzeit, Einsatzbeginn für die beiden Männer auf der Mondlandefähre. Kommandant und Landepilot von Apollo 11 machten sich bereit, die Oberfläche des Erdtrabanten zu besuchen. Das Mutterschiff »Columbia« kreiste im Orbit. In ihrem Innern der einzige weitere Mensch in der namenlosen Schwärze des Nichts. Und Michael Collins konnte jetzt nichts mehr für seine beiden Kameraden auf der Oberfläche tun.
Neil Armstrong und Buzz Aldrin wussten, der Westen richtete bald Ohren und Augen auf sie. Millionen Menschen warteten vor den Radio- und Fernsehgeräten auf das Signal der Amerikaner auf dem Mond. Der Schock, den die Sowjets mit Juri Gagarin als
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