Macht: Thriller (German Edition)
zeigten Wirkung. Der Tachometer überflog die Hundertermarke und schnellte hoch in die dreistelligen Zahlen. Die Auspuffanlage röhrte.
Der schwarze Ford Mustang mit den silbernen Rallyestreifen blieb dran. Der Verfolger war nicht abzuschütteln, klebte im Windschatten an der Stoßstange des Audis.
Plötzlich eine scharfe Linkskurve. Die Reifen quietschten. Der R8 driftete. Die Kurve war fast geschafft, da schrammte das Coupé den Randstein. Funken sprühten. Der R8 war ohne Kontrolle und bretterte über den Gehsteig. Kunststoff zerbarst und Aluminium verformte sich. Der Audi blieb frontal an einem Hydranten hängen und überschlug sich. Die Welt wirbelte vorbei, und mit ohrenbetäubendem Krach kam der Sportwagen auf dem Dach zum Liegen.
Der Mustang machte eine Vollbremsung, drehte sich halb um die eigene Achse und blieb nahe der Unfallstelle stehen.
»Scheiße!«, knurrte Gernot.
»Gratuliere, Meister!«, kommentierte Christoph trocken. »Den hast du sauber eingeparkt.«
»Ja. Ja. Du mich auch.« Gernot nahm die Hände vom Steuer und ließ sich in die Rückenlehne sinken.
»Revanche?«
»Danke! Ich hab für heute von Need for Speed die Schnauze voll.«
»Würden die Buben in der Spielecke bitte etwas leiser sein, die Erwachsenen versuchen hier zu arbeiten«, forderte Sabine, beugte sich wieder über Gabriels Nachricht und sagte die Zahlen an.
Udo saß im Lotussitz auf dem Sofa und zählte Zeilen und Buchstaben in »Geschlecht und Charakter«. Die Zeilen von unten nach oben, und die Buchstaben von links nach rechts.
»Nimm es nicht zu schwer«, lachte Christoph und schlug Gernot mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Ich hoffe für dich, dass du in der Realität ein besserer Fahrer bist.«
»Worauf du einen lassen kannst!« Gernot stand auf und schaltete Fernseher und Play Station aus. »Gratuliere, Udo. Sieht so aus, als hättest du grade deine Bar Mitzwa gemacht. Du bist auch schon ein Erwachsener«, stichelte er.
»Hahaha. Der war gut, Gernot.« Udo notierte den letzten Buchstaben der entschlüsselten Nachricht. »Wir haben es!«, rief Kernreiter und schlug das Buch zu. »Josephine! Dieter! Kommt alle her, wir haben es geschafft!«
Gernot stapfte zur Chesterfield-Sitzgruppe und fläzte sich auf einen Polstersessel, ein Knie über der Armlehne. Das Leder des Stuhlbezugs verströmte Josephines Körperwärme, Gernot spürte sie durch den Hemdstoff. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er, wie Josephine und Dieter aus der Küche zurückkamen.
Dieters Weinglas war schon wieder halbleer, seine Wangen gerötet. Er setzte sich auf den Fauteuil neben Sabine.
Josephine war desorientiert. Sie drehte eine Runde um den Couchtisch und blieb mit vollem Glas in der Hand stehen. Gernot saß auf ihrem Platz, und sie wusste nicht recht, wohin mit sich. Die freie Couchhälfte neben Udo hatte Christoph breitbeinig in Besitz genommen, und zwischen die Männer klemmen wollte sie sich nicht.
Josephines momentane Ratlosigkeit konnte Gernot gut nachvollziehen, er würde auch nicht mit Udo kuscheln wollen.
Josephine beklagte sich nicht. Sie blieb einfach stehen.
Gernot konzentrierte sich ganz auf Josephine, das Rundherum existierte nicht mehr. Udos Vortrag über die geglückte Dechiffrierung von Gabriels Botschaft verschmolz in seinen Ohren zu Atemübungen eines Jazzmusikers mit der Zugposaune.
Josephine hörte anders als Gernot zu. Ihr Rücken war leicht nach vorne gekrümmt, eine Hand ruhte auf der Hüfte ihres Standbeins, das andre Bein hielt sie leicht abgewinkelt. Sie führte das Glas an ihre Lippen und nahm einen Schluck Rotwein.
Gernot legte den Kopf zur Seite. Josephines Haarknoten war heruntergerutscht und in Auflösung. Löckchen kräuselten sich in ihrem Nacken, Strähnen umspielten Ohren und Wangen. Als Frau gefiel sie ihm noch besser als damals. Gernots Mundwinkel zuckten nach oben. »Sei so lieb und stell bitte das Glas auf den Tisch, Josi.«
Josephine sah Gernot überrascht an und schluckte den Wein hinunter. Nach einem Kontrollblick auf Rotweinglas und Perserteppich nickte sie und tat, wie ihr geheißen.
Gernot schnellte aus dem Ledersessel, ergriff Josephines Hüften und setzte sie auf seinen Schoß. »Jetzt kannst du es wieder in der Hand halten, wenn du möchtest«, grinste er.
Josephine quietschte und fand sich in Gernots Armen wieder. Was war das? Sie versicherte sich mit einem Blick über die Schulter, dass es wirklich Gernot Szombathy gewesen war, der sie gerade so entschlossen
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