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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Bremmer
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Weltbank vergrößern. Entwicklungsländer in Lateinamerika und Afrika werden unter Führung von Brasilien und Südafrika weiter an der Entwicklung von politischen und geschäftlichen Beziehungen zwischen »Süden und Süden« arbeiten. Amerika, Europa und China werden sich auch weiterhin auf die bilateralen Handelsbeziehungen stützen, die sie geknüpft haben. Aber diese stärker fragmentierte internationale Ordnung wird nicht über eine globale Führung und über einen Primärlieferanten globaler öffentlicher Güter verfügen.
    Drehpunktstaaten werden in diesem Szenario wahrscheinlich sogar noch erfolgreicher sein. Sie sind nicht durch einen globalen Konflikt gezwungen, Partei zu ergreifen, und durch das Fehlen multinationaler Abkommen in Bezug auf Handel, Investitionen, Standards und andere Angelegenheiten werden sie so flexibel sein, dass sie alle möglichen Chancen nutzen und bilaterale Beziehungen mit mehreren anderen Ländern eingehen und sie gegeneinander ausspielen können, um sich optimale Konditionen zu sichern. Die interessanteste Frage hinsichtlich der Drehpunktstaaten wird sein, ob Europa politisch und wirtschaftlich so kohärent bleibt, dass es zwischen China und den Vereinigten Staaten praktisch als Drehpunktstaat fungieren kann, oder ob der Kontinent zerfällt und nur Deutschland noch diesen Vorteil genießt. Starke Staaten, die wie die Türkei, Ägypten und Kasachstan zwischen den Regionen liegen, werden ähnliche Chancen haben.
S zenario X: G-unter-Null
    Angesichts der zahlreichen Probleme, die die G-Null wahrscheinlich verursachen wird, sollte noch eine weitere Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Es handelt sich um ein anarchisches Szenario, bei dem der internationalen Ordnung ungeahnte Zersplitterung droht. Vor etwa einer Generation wurde vorausgesagt, dass der immer freiere Austausch von Ideen, Informationen, Menschen, Geld, Waren und Dienstleistungen die Macht der Nationalstaaten so untergraben werde, dass sie die Kontrolle über Wirtschaft und Politik fast vollständig verlören und nahezu irrelevant würden. Dies ist nicht eingetreten, zum Teil, weil der Staat in einigen Schwellenländern die Wirtschaft in einem Ausmaß beherrschte, dass er sich einen ausreichenden Anteil am gesellschaftlichen Reichtum sicherte, um seine politische Kontrolle verstärken zu können. Die Finanzkrise war für viele Staaten ein Anreiz, diese Strategie noch konsequenter zu verfolgen. Es ist möglich, dass das Chaos, welches durch den Mangel an internationaler Führung in der G-Null-Ära ausgelöst werden könnte, den Staat sogar noch weiter stärkt.
    Was aber, wenn dies nicht geschieht? Was geschieht, wenn die G-Null keineswegs dazu führt, dass der Staat die Macht gewinnt, seine Bürger vor der Krise zu schützen, sondern vielmehr Probleme entstehen, die den Staat diskreditieren, seine Glaubwürdigkeit untergraben und eine solche öffentliche Empörung auslösen, dass die Bürger sich nach Alternativen umsehen? Tatsächlich gibt es viele Möglichkeiten, wie eine Zentralregierung insbesondere an lokale Machtstrukturen viel von ihrer Macht verlieren kann. Die subtilste Form dieses Trends könnte darin bestehen, dass mittlere Beamte oder Lokalregierungen Vorschriften, Pläne und Programme der Zentralregierung missachten und durch ihre eigenen ersetzen. Michail Gorbatschows ersten Versuche, den Sowjetstaat zu reformieren, hatten unter anderem deshalb fast keinen Erfolg, weil die Funktionäre in der Regierungsbürokratie die Privilegien nicht verlieren wollten, die sie im alten System genossen, und deshalb viele Anweisungen von oben einfach ignorierten. Das System selbst wehrte sich gegen den Versuch, es zu ändern. In der Folge bediente sich Gorbatschow einer Politik namens Glasnost (Offenheit), um die Bürokratie weitgehend zu umgehen und direkt um öffentliche Unterstützung fürseine Pläne zu werben. Dies führte jedoch zum Zusammenbruch des Sowjetsystems, weil Glasnost zentrifugale Kräfte freisetzte, die das Reich auseinanderrissen.
    Heute braucht China langfristige wirtschaftliche und soziale Reformen, die fast genauso ehrgeizig sind, und seine Regierung wird diese Veränderungen ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in Angriff nehmen, da das System durch die G-Null wahrscheinlich unvorhergesehene Schocks erleidet. Wenn es Peking nicht gelingt, die im vorigen Kapitel beschriebene wachsende soziale Unzufriedenheit im Zaum zu halten, wenn es nicht mit der wachsenden Zahl von Umweltkatastrophen fertig wird, wenn

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