macht weiter
Morgenrock waschen, ehe Sie ihn wieder anziehen. Auf dem Rücken sind nämlich Blutflecken.«
Sie starrte ihm völlig verblüfft nach. Deshalb seine plötzliche Besorgnis! Er wußte also Bescheid.
11
Am nächsten Morgen saß Mrs. Pollifax bereits um sieben Uhr fünfzehn beim Frühstück. Sie war der einzige Gast. In der Halle herrschte Ruhe, und der Kellner erwähnte mit keinem Wort, daß einer seiner Kollegen in der vergangenen Nacht ermordet worden war. Nach dem Kaffee ging sie durch die Behandlungsräume, um sich umzusehen.
Zu ihrer Überraschung tat sich hier überhaupt nichts. Die Räume waren leer. Die Tür zur ›Unterwassermassage‹ stand offen, so daß sie sich im Vorübergehen informieren konnte. Die hellgrüne Wanne glänzte in gewohnter Sauberkeit. Nicht das kleinste Anzeichen ließ erraten, daß hier vor wenigen Stunden ein Mord geschehen war.
Sie fand es auch sonderbar, daß nirgends Polizei zu sehen war. Natürlich war das Sanatorium daran interessiert, das Verbrechen vor den Gästen geheimzuhalten, aber diese perfekte Diskretion erschien ihr doch verdächtig.
»Madame?« fragte der Portier.
Sie setzte zu einer Frage an, doch dann schüttelte sie den Kopf und schwieg. Es war knapp vor acht, und sie war mit Robin verabredet.
Schweigend startete Robin den Wagen, und sie fuhren los. Als sie den Wald hinter sich hatten, nahmen sie die Dorfstraße und fuhren hinunter nach Villeneuve.
»Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen«, sagte Mrs. Pollifax schließlich.
Robin war immer noch bei den Vorgängen der letzten Nacht und fragte unvermittelt: »Also, von wem war das Blut?«
Sie hatte diese Frage erwartet. Seit sie in den Wagen gestiegen war, hatte sie wie eine Wand zwischen ihnen gestanden. »Vom Kellner Marcel.«
Robin bremste und hielt am Straßenrand. »Ist er verletzt oder tot?«
»Tot.«
»Um Gottes willen, heißt das, er wurde ermordet?«
Sie nickte. »Ja, in der Unterwassermassage. Er lag in der Wanne.«
Robin starrte sie ungläubig an. »Sie haben ihn dort tot liegen sehen und... war das alles, oder war noch jemand unten?«
Sie schauderte, da sie das entsetzliche Bild wieder vor sich sah.
»Als ich in den Massageraum kam, verschwand jemand durch die andere Tür. Ich wollte rufen, aber da entdeckte ich Marcel in der Wanne, das Blut und...« Sie konnte nicht weitersprechen. »Ja, es war noch ein anderer unten und der hat sich sehr intensiv für mich interessiert.«
»Sein Mörder?«
»Ich glaube, ja.«
»Das ist ja fürchterlich! Hat er Sie gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.« Ironisch setzte sie hinzu: »Genau wie Sie die Dächer inspiziert haben, so habe ich mich da unten umgesehen. Daher wußte ich, daß dort unten der Kasten mit den Sicherungen war. Der dürfte mich gerettet haben.«
Langsam schüttelte er den Kopf. »Hätte ins Auge gehen können. Aber warum ausgerechnet Marcel? Ein harmloser Kellner. Oder war er vielleicht gar nicht so harmlos?«
»Eben nicht«, gestand sie. »Er war von Interpol und ging der gleichen Sache nach wie ich. Das Komische daran ist nur, daß sich sein Verdacht gegen Sie richtete.«
Robin pfiff durch die Zähne. »Na, hoffentlich haben Sie ihm gesagt, das heißt, hoffentlich haben Sie es ihm nicht gesagt.« »Ich wollte es ihm gestern nacht sagen, aber...«
»Na ja... Zumindest hat man Sie nicht ganz allein
hierhergeschickt. Das spricht für Ihre Vorgesetzten. Hören Sie, ich habe Ihnen schon einmal angeboten, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann...«
»Sie helfen mir jetzt, Robin, und ich bin Ihnen auch sehr dankbar.«
»Weil ich Sie zur Post fahre«, nickte er und lenkte den Wagen wieder auf die Straße. »Dieses Telegramm, das Sie aufgeben wollen, ist natürlich für die Großmama, wie?«
Sie lächelte. »Sie sind viel zu schade für kleine Diebereien, Robin. Ja, es ist für Madame Parviz. Könnten Sie wohl Ihre Skrupel überwinden und mir heute abend, nach Einbruch der Dunkelheit, dabei helfen, über den Balkon das Zimmer 150 ein bißchen auszuspionieren?«
»Vielen Dank für Ihr Zartgefühl, meine liebe Mrs. Polly.« Er lachte. »Mit dem größten Vergnügen. Was haben Sie eigentlich gestern nacht in diesem Zimmer entdeckt?«
Mrs. Pollifax schwieg. Sie fuhren in Montreux ein. Die Straßen waren still. »Madame Parviz scheint schwer krank zu sein, sie ist sehr schwach. Sie bat mich, einem Mann namens Parviz, General Parviz, nach Zabya zu telegrafieren, daß sie gut angekommen seien.«
»Klingt ganz normal.«
Sie nickte.
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