Machtkampf
schlief in seinem Appartement bei offenem Fenster und verzichtete auf die Klimaanlage. Hier jedoch würde er alles fest verriegeln – so gut es ging jedenfalls. Denn der Verschlussmechanismus der Balkontür erschien ihm alles andere als vertrauenerweckend.
Aber, so meldete sich die innere Stimme, weshalb sollte ihm jetzt eine Gefahr drohen? Er hatte das Geld noch nicht von der Bank geholt. Was würde es dem Erpresser also nützen, ihn hier zu beseitigen?
Er ging zurück in das Zimmer, verriegelte die Balkontür sorgfältig und streifte sich das feuchte T-Shirt ab, das an seinem Oberkörper klebte. Noch während er auch seine Boxershorts auszog, um sich unter der Dusche zu erfrischen, schreckte ihn das schrille Klingeln des Telefons auf, das neben dem Bett stand.
Mompach blieb wie angewurzelt stehen. Wer rief ihn hier an? Hier, wo ihn gewiss niemand vermutete. Außer …
Er zögerte und ging dann die paar Schritte zum Bett. Das klobige Telefon mit den vielen Tasten und verwischten Beschriftungen hatte kein Display, auf dem etwas abzulesen gewesen wäre. Er nahm langsam den Hörer ab und sagte leise: »Ja,hallo.«
»Mr. Mompach«, hörte er eine freundliche Männerstimme. »Es war ein Anruf an Sie.« Jemand mühte sich mit der deutschen Sprache ab. »Hat gesagt, Sie bekommen morgen Botschaft.«
Mompachs Blutdruck stieg ins Unermessliche. »Botschaft?«, echote er erschrocken. »Wer hat das gesagt? Was denn für eine Botschaft?«
»Hat nur gesagt, soll ich Mr. Mompach mitteilen. Ich wollte durchstellen zu Ihnen, aber hat gesagt Nein.«
Mompach erkannte, dass weiteres Nachfragen sinnlos war. Er zitterte.
16
Die Wohnung roch nach Tabakrauch – und Timo Mompach zündete sich sofort wieder eine Zigarette an, während Linkohr und Vanessa ihm gegenüber Platz nahmen. Als er den Fernseher abschaltete, schien es der Polizeistudentin, als habe der junge Mann den ganzen Nachmittag über vor dem Bildschirm verbracht und gelegentlich geschlafen. Timo wirkte müde, blass und zerknittert. Seine Haare hingen ihm ungekämmt in die Stirn. Auf der Couch war eine Decke ausgebreitet, ein Kissen an die Armlehne geknüllt und auf dem Tisch standen eine halb volle Bierflasche und ein überquellender Aschenbecher. Typische Junggesellenbude, dachte Vanessa, tat aber so, als nehme sie dies gar nicht zur Kenntnis. »Ich habe Sie vorhin schon am Telefon kurz danach gefragt: Sie haben also keine Ahnung, wo Ihr Vater sich derzeit aufhält?«, begann sie, noch bevor Linkohr etwas sagen konnte.
Timo hatte wieder auf dem Sofa Platz genommen und zog an seinem Glimmstängel. »Wirklich nicht. Ich hab doch kürzlich schon Ihrem Kollegen gesagt, dass mein Vater sofort die Fliege macht, sobald sich eine Gelegenheit bietet – aber wenigstens tut er dies nicht während der Erntezeit. So viel Verantwortungsbewusstsein hat er gerade noch. Aber, wie gesagt, wenn’s passt, ist er weg – ab mit seinen Kumpels, den Jägern oder Schulfreunden oder mit wem auch immer.«
»Wirft denn die Landwirtschaft so viel ab, dass er sich das leisten kann?«, hakte Linkohr nach.
Mompach junior zuckte mit den Schultern. »An Geld hat’s meinem Alten nie gefehlt. Ich hätte mich sozusagen ins gemachte Nest setzen können, aber solange mein Vater das alleinige Sagen hat, tu ich mir das nicht an. Dann kutschiere ich lieber mein tiefgefrorenes Zeug durch die Gegend und bin mein eigener Herr.«
»Sie haben mir bei meinem letzten Besuch etwas von Thailand gesagt, aber auch vom Lago Maggiore …«
»Ja, das hab ich halt so mitgekriegt. Aber Genaues weiß ich nicht. Wirklich nicht. Er tut ja immer so geheimnisvoll. Nicht mal sein Handy lässt er angeschaltet. Er ruft dann höchstens einmal die Woche an und will wissen, ob alles okay ist. Die Mutter wird’s schon richten. Die Mutter und Sandra, die er schamlos ausnützt.« Er drückte mit dem Daumen der linken Hand den Mittelfinger so fest nach unten, dass die Knöchel knackten. Vanessa wertete dies als ein Zeichen innerer Anspannung, weshalb sie ihn direkt ansprach: »Sie persönlich sind aber über Ihre Situation nicht glücklich, oder?«
»Es geht mir auf jeden Fall besser, als wenn ich im Hochsträßhof geblieben wäre, Frau Kommissarin«, erwiderte er schnell.
»Wir wissen, dass es nicht einfach ist, über persönliche Dinge zu reden«, machte Linkohr weiter, »und Sie müssen uns auch keine Fragen beantworten, die Ihre Eltern oder gar Sie selbst belasten würden …«
»Belasten?«, fiel ihm Timo
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