Machtlos
neben Victoria ans Bett und spendete ihr Astralkraft. Narex und Lenir unterhielten sich mit dem Soldaten über Belanglosigkeiten.
Nachdem der Rote das Schlafzimmer verlassen hatte, fragte Jaromir verwundert: „Wie oft bekommt Victoria jetzt diese Spenden? Und überhaupt – wieso macht das ein Roter?“
„Was die erste Frage angeht: alle sieben bis zehn Minuten“, antwortete Kerstin. Als sie die Besorgnis in Jaromirs Gesicht sah, versicherte sie ihm schnell: „Die grüne Heilerin hat mit einem Zauber dafür gesorgt, dass die Barrieren an Victorias Membranen sich nicht schließen, damit sie heilen können. Also verliert sie logischerweise noch immer fast ungehindert ihre Astralenergie.“
Und dann berichteten sie Jaromir, was in den letzten Tagen passiert war.
Zum Schluss erzählte Lenir mit einem breiten Grinsen, dass vor ein paar Stunden sogar Victorias Eltern dagewesen waren. „Der gute Doktor Custos Lacus hat bei denen heute Morgen angerufen und berichtet, dass der riskante Eingriff erfolgreich war und sie euch ab dem frühen Nachmittag besuchen könnten. Hartmut und Giesela waren überglücklich und standen kurz nach zwölf auf der Matte.“
Kerstin kicherte. „Giesela hat sogar ein Verlobungsgeschenk für euch mitgebracht. Sie meinte, das sei überfällig gewesen. Außerdem hat sie Kuchen für alle gebacken. Ihr ist erst hier aufgefallen, dass sie damit Albert auf den Schlips treten könnte.“
Narex nickte begeistert. „Also, das muss ich deiner Schwiegermutter lassen: Auch wenn sie etwas überdreht ist – Kuchenbacken kann sie genauso gut wie Albert. Ihr Butterkuchen war vielleicht nicht ganz so schick, wie dein Butler ihn hinbekommen hätte, aber geschmacklich… hmmmm!“ Genüsslich leckte er seine Lippen.
Plötzlich musste Lenir mühsam ein Lachen unterdrücken.
„Und was ist noch passiert?“, fragte Jaromir misstrauisch. Er kannte diesen Gesichtsausdruck bei seinem Freund. So guckte der nämlich immer, wenn jemand anderem etwas Peinliches widerfuhr.
Lenir grinste nur.
„Na los, Lenni. Ich soll mich doch nicht aufregen, also spuck es schon aus!“
„Du hast es so gewollt“, entgegnete Lenir und öffnete seinen Geist für ihn.
Jaromir sah, wie sich Giesela liebevoll von ihrer Tochter verabschiedete und sie auf die Stirn küsste. Dann strich sie auch ihm mütterlich übers Haar und drückte einen Kuss auf seine Stirn.
„Deine Schwiegermutter hat dich zweifelsohne als Schwiegersohn akzeptiert“, bemerkte Narex trocken.
„Jepp, so ist es. Die Mami hat dich lieb“, sagte Lenir mit einem breiten Grinsen. Er sah Narex an und die beiden nickten bedeutend und stießen kumpelhaft ihre Fäuste aneinander.
Jaromir verdrehte genervt die Augen.
„Hör gar nicht auf die beiden Blödelbacken, Jaro. Die sind einfach nur erleichtert, dass du endlich wieder wach bist. Lenni und Narex sind schon seit heute Mittag nicht mehr ganz zurechnungsfähig“, meinte Kerstin augenzwinkernd. Dann wurde sie wieder ernst und fragte: „Kannst du mir sagen, wie es Victoria geht?“
Jaromir schloss kurz seine Augen und als er sie wieder öffnete, lächelte er. „Seitdem das Brennen aufgehört hat, drängt sie nicht mehr so hartnäckig zum Licht und ist entspannter. Allerdings hat sie panische Angst davor, dass es erneut beginnt… Sie traut dem Frieden nicht.“
„Kannst du dich richtig mit ihr unterhalten?“, fragte eine neugierige Stimme von der Tür her. Hoggi hatte leise den Raum betreten.
„Nicht so wirklich“, antwortete Jaromir unschlüssig. „Jedenfalls nicht so, wie wir uns jetzt unterhalten. Ich bin mir oft nicht sicher, ob ich sie erreiche. Sie antwortet auf meine Fragen eher mit diffusen Gefühlen als mit klaren Gedanken… Ich glaube, ich kommuniziere mit ihrem Unterbewusstsein.“ Er lächelte. „Auf alle Fälle ist das mehr, als in all den Tagen nach dem Angriff.“
Hoggi nickte zufrieden. „Das ist ein großer Fortschritt. Ich bin schon gespannt, ob Linea heute Abend die Klemmen an den Barrieren lösen wird. Wenn Victorias Körper die astrale Energie wieder von allein halten kann, gewinnt sie vielleicht auch neues Zutrauen in ihren Körper… Aber wir müssen Geduld haben. Heilung braucht Zeit.“
Jaromir lächelte erschöpft. „Sie kann so viel Zeit haben wie sie will – solange sie nur wieder zu mir zurückkommt.“ Anstelle von verzweifelter Mutlosigkeit waren seine braunen Augen nun mit hoffnungsvoller Sehnsucht gefüllt. Er war schon wieder müde. Er wollte schlafen und
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