Machtlos
„Jaromir und ich werden heiraten!“
Stille.
Sabine und Felix waren platt. Und Falk, der sonst immer ein Pokerface hatte, brachte diese Mitteilung völlig aus der Fassung. Er stotterte entsetzt: „Aber er ist doch unser Professor, Vici! Dass ihr zusammen seid – gut und schön … aber … aber er ist so … so… alt.“ In seinem Kopf wirbelten unzählige Optionen, die die Hochzeit seiner Freundin mit seinem Matheprofessor mit sich bringen würde. Er war sich nicht sicher, welche er davon nutzen konnte – ja, welche er überhaupt nutzen wollte, denn Jaromir war für ihn undurchschaubar und er traute ihm nicht.
J kicherte und meinte trocken: „Krieg dich wieder ein, Falk. Jaromir ist schon in Ordnung und sooo alt ist er nun auch wieder nicht.“
Kerstin hielt Sabine freudestrahlend den Entwurf der Einladung unter die Nase und meinte geschäftig: „Gefeiert wird hier im Haus.“ Dann machte sie Sabine auf eine Textpassage aufmerksam. „Was hältst du denn von dem Spruch hier als Leitmotto für das Fest?“
Sabine blickte noch immer sprachlos auf den Zettel.
Dann schaute sie hoch und fragte vorsichtig: „Bist du sicher, dass ihr heiraten wollt? Ich meine, ihr seid doch gerade erst zusammengekommen und kennt euch noch gar nicht richtig… Mann Vici, du bist erst einundzwanzig – ihr habt doch noch ewig Zeit!“
„Oder etwa nicht?“, fragte Falk provokativ mit einem demonstrativen Blick auf Victorias Bauch.
Genau diese Reaktion hatte Victoria befürchtet. Sie lächelte. „Nein, Falk! Ich bin NICHT schwanger. Und selbst wenn, davon würde ich mich nicht drängen lassen.“
Und dann erklärte sie ihren Freunden die Sache mit Jaromirs Familie, die sie auch schon J erzählt hatte. Abschließend bemerkte sie strahlend: „Tatsächlich freue ich mich aber schon darauf, Jaromir zu heiraten. Wir gehören einfach zusammen, also warum noch warten? Es ist wie mit einem Lottogewinn: Wenn du den Jackpot knackst, überlegst du dir ja auch nicht, ob du noch zu jung für den Hauptgewinn bist. Den nimmst du mit! Außerdem hoffe ich, dass wir damit viele Spekulationen an der Uni schon im Keim ersticken können. Ich habe keine Lust darauf, Gegenstand der Wette zu sein, wie lange unsere Beziehung denn hält.“
Falk sah Victoria mitleidig an und murmelte leise: „Ich fürchte, da hast du dich verrechnet, meine liebe Kommilitonin…“
Doch Sabine ließ sich von Victorias Freude anstecken. Sie ging gar nicht auf Falks Bemerkung ein und rief: „Ich fasse es nicht! Die erste aus unserer Runde kommt unter die Haube!“
Felix war der Einzige, der gar nichts sagte. Er blickte Victoria ruhig an und fragte sich, ob die Hochzeit und ob die Beziehung zu Professor Custos Portae an sich tatsächlich Victorias Wunsch war. Er wusste nicht, was er von den Heiratsplänen seiner Freundin halten sollte – trotz aller Beteuerungen der Braut.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und Jaromir trat ein. Victoria lächelte ihre Verlobten dankbar an und Felix erkannte die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen. Er nickte innerlich und war sich sicher, dass die beiden zusammengehörten.
Felix lächelte. „Na denn: Herzlichen Glückwunsch, Vici! Und natürlich auch Ihnen, Herr Professor!“
Jaromirs Anwesenheit löste bei ihren Freunden wieder Beklommenheit aus, als er sich neben seine Verlobte aufs Sofa setzte. Er hatte einen Platz möglichst weit weg von den Studenten gewählt, aber die Nähe reichte trotzdem. Victoria wusste, dass seine Aura der Grund dafür war, doch ihre Freunde schoben es auf die Tatsache, dass er ihr Professor war. Falk war jedenfalls in Alarmbereitschaft. Einzig J und Kerstin hatten sich an ihn gewöhnt und blieben fast locker.
Es entwickelte sich ein stockendes Gespräch über die Hochzeit, bis Falk plötzlich auffiel: „Sag mal, Kerstin, wo ist eigentlich Alex?“
Kerstin sagte nichts. Victoria konnte für eine Sekunde sehen, dass Alex in den letzten Tagen mehrfach bei ihrer Freundin angerufen hatte und sie von ihrem Ex schon leicht genervt war. Aber dann wurde Kerstin blass und in ihrem Kopf hatten nur noch Gedanken an Lennard Platz. Das machte sie echt verrückt.
Sabine wusste offensichtlich schon Bescheid. Sie blickte ihre Freundin besorgt an und sagte dann: „Die beiden sind nicht mehr zusammen.“ Ihr Tonfall machte den Jungs unmissverständlich klar, dass das Thema damit beendet war.
Falk zog überrascht eine Augenbraue hoch.
Betretenes Schweigen.
Bevor sein Freund doch eine blöde Bemerkung
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