Machtlos
fest.
„Lass mich los!“, forderte Kerstin schneidend kalt und versuchte, ihre Hand abzuschütteln.
„Scheiße!“ In Victorias Bauch bildete sich eisiger Klumpen. Sie war nicht in der Lage, schon wieder zu zaubern. Jaromir schlief tief und fest. Lenir war ebenfalls nicht ansprechbar, genau wie Hoggi. „NAREX!“ , rief sie hilflos in Gedanken.
Dann sah sie in Kerstins wütendes Gesicht und sagte beschwörend: „Du kannst jetzt nicht gehen.“
„Oh, doch! Das kann ich und wie ich das kann!“, antwortete die heftig und wollte sich losreißen.
„Was gibt´s?“ , erklang Narex gut gelaunte Antwort.
Victoria schickte dem alten Schwarzen die Bilder. „Sie darf hier nicht weg!“
„Nein“ , stimmte Narex ihr ernst zu, „das darf sie nicht. Pass auf, dass sie nicht fällt.“
Schon begann Kerstin zu taumeln. Victoria versuchte, ihre Freundin festzuhalten, aber die hatte ihre Köperspannung komplett verloren und sackte einfach in sich zusammen. Victoria konnte gerade noch verhindern, dass sich Kerstin ihren Kopf aufschlug.
„Es tut mir leid, Kerstin“, flüsterte sie betroffen. „Es tut mir so leid!“
Victoria saß auf dem Fußboden, den Kopf ihrer Freundin in ihrem Schoß und fühlte sich verdammt schuldig.
Dann öffnete jemand eilig die Tür.
Narex kam herein. Wortlos hob er Kerstin vom Boden auf und legte sie behutsam auf das Bett.
Er sah Victoria prüfend an und sagte väterlich: „Es geht dir nicht gut Victoria. Du hast dich gestern überanstrengt und heute zu früh wieder zu viel Magie gewirkt. Iss etwas und ruhe dich aus. Du kannst jetzt nichts für sie tun.“
Sie blickte besorgt auf Kerstin und wollte widersprechen, doch Narex lächelte sie freundlich an. „Ich wache über sie. Ihr wird nichts geschehen.“
Wie schon Lenir zuvor, zog auch Victoria resigniert ab.
23. Donnerwetter
Victoria holte sich etwas zu essen aus der Küche. Entsprechend der Umstände hatte Albert Milchreis mit extra viel Zimt und Zwetschgenkompott gekocht. Eigentlich war sie viel zu bedrückt, um jetzt zu essen, aber tatsächlich hatte sie doch Hunger. Nach einer guten Portion aus einer der großen Dessertschalen kuschelte sie sich erschöpft an Jaromir und dachte nach.
„Was wird mit Kerstin passieren? Wie kann ich ihr helfen?“
Sie fand keine Antwort darauf.
Victoria war müde, doch ihre Gedanken wanderten weiter. Sie verstand nicht, warum die Rockergang sie angegriffen hatte. Sie hatte nie etwas mit einem von ihnen oder der verfeindeten Gang zu tun gehabt. So sehr sie sich auch ihr Gehirn zermarterte, es fiel ihr kein einziger plausibler Grund ein. „Vielleicht findet Abrexar ja eine Antwort darauf“ , dachte sie frustriert.
Irgendwann musste sie eingedöst sein, denn es war fast fünfzehn Uhr als Jaromir neben ihr wach wurde.
Er lächelte sie an und zog sie genüsslich zu sich heran. Dann schloss er noch mal die Augen und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „So könnte ich hier bis ans Ende aller Zeiten liegen“ , dachte er wohlig.
Sie kam nicht dazu zu antworten, denn plötzlich spürten beide, wie Abrexar aus den Nebeln auftauchte und im Turmzimmer landete.
„Ich fürchte, daraus wird nichts“ , gab sie zurück. „Dein Boss kommt und mich interessiert brennend, was er herausgefunden hat.“
Jaromir rollte sich seufzend auf den Rücken. „Das würde ich allerdings auch gern wissen. Wie geht es übrigens Kerstin?“
„Nicht gut.“ Victoria zeigte ihm bedrückt das Gespräch mit Lenir und auch das mit Kerstin.
Jaromir biss sich auf die Lippe. „Mist. Und was machen wir jetzt?“
„Ich weiß nicht, was wir tun können. Ich hoffe inständig, dass sie sich in das Unvermeidliche fügt“, dachte sie mutlos.
In diesem Moment hörten sie Abrexars Stimme in ihren Köpfen: „Alle die wach sind: Konferenz im weißen Salon – SOFORT!“
Schon diese wenigen Worte reichten aus und Victoria wusste, dass der alte Mentor nicht gerade gut gelaunt war.
Als Jaromir und Victoria ein paar Minuten später im weißen Salon ankamen, erwartete Abrexar sie bereits. Er lief rastlos im Salon auf und ab. Victoria hatte den alten schwarzen Drachen noch nie so gesehen. Obwohl er in Menschengestalt war, umgab ihn eine aggressive Aura der Macht, die seine harmlose, humanoide Erscheinung Lügen strafte. Seine astrale Kraft war Victoria nie zuvor bewusster gewesen und ließ die sonst sehr überzeugende Professorengestalt Anfang dreißig lächerlich wirken.
Als Abrexar sie sah, begrüßte er beide mit
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