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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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war, der auf einem blutigen Betonuntergrund lag. Darunter stand mit schwarzem Benzinstift in Druckbuchstaben: »Nimm den Job an ! « Glock schob das Foto des bleichen, kleinen Fingers langsam wieder in den Umschlag zurück und verstaute diesen wie in Trance in seiner Aktenmappe. Er fügte automatisch der Kategorie der wichtigen Nachrichten, die selbst heutzutage noch per Post kamen, die Literaturform des Drohbriefes hinzu. Dann nahm er seine Kaffeetasse mit dem Aufdruck ›Schuegraf – Synergy at work‹ – was sich auf die vielen zugekauften und mittlerweile in Schue-graf aufgegangenen Firmen bezog – vom Fensterbrett und ging aus dem Zimmer den Gang entlang in die Kaffeeküche, wo er sich einen großen Milchkaffee aus dem Automaten zapfte. Trotz des Entsetzens, das er gerade gespürt hatte, war er ganz ruhig. Schon immer, das hatte er vorgestern auch in der kritischen Konferenz wieder gespürt, konnte er sich gerade in Krisen- und Stresssituationen auf seine guten Nerven verlassen. Wo andere nervös und panisch wurden, bewahrte er die Ruhe und fing an, logisch nachzudenken. Er blieb in der Kaffeeküche stehen, zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief, begrüßte in Gedanken versunken eine Sekretärin aus der Strategieabteilung, die eine Kanne Kaffee holte und fügte aus den Ereignissen der letzten zwei Tage ein erstes Bild zusammen. Schutzgelderpressung, politische Feinde von Barbara, Überfall. All dies hakte er als mögliche Motive nun ab. Der Finger von Barbaras bester Freundin war abgeschnitten worden aus einem Grund, der mit seinem, Dr. Anton Glocks, zukünftigen Job zusammenhing. Eine Art Warnung offensichtlich, oder vielmehr eine Aufforderung. Es war eine Erpressung, die man nur so interpretieren konnte, dass er sich am Montag für den Job entscheiden sollte, den Nagelschneider ihm angeboten hatte, sonst würde man … Ja, was würde man dann? Weitere Gewalt anwenden gegen seine Familie, Freunde, ihn selbst? ›Nimm den Job an !‹ Interpretationsspielraum war hier kaum möglich. Irgendwie vermochte er den Sinn der Aktion nicht zu erkennen, denn es war allgemein bekannt, wie sehr er auf diesen Karriereschritt jahrelang hingearbeitet hatte. Glock war ohne jede Frage, bis vor wenigen Minuten jedenfalls, wild entschlossen gewesen, den Job anzunehmen, Geheimabteilungen hin oder her. Er käme gar nicht auf die Idee, diese Chance abzulehnen. In einer Mischung aus Ratlosigkeit und Sorge drückte er die Zigarette aus, zog sich noch einen Kaffee und ging durch den Flur zurück in sein Büro. Rauch war noch immer nicht gekommen. Er rief seinen Chef, Röckl, an, der heute wieder im Hause sein musste und stets früh in der Arbeit erschien, um ihn zu fragen, ob er kurz vorbeikommen könne. Es sei wichtig.

     
    Josef Röckl stand kurz vor der Pensionierung und sah auch so aus. Er residierte ein Stockwerk über Glock in einem räumlich großzügigen Büro im sechsten Flur, in das neben dem dunkelgrauen Schreibtisch noch eine altbackene Besprechungsecke mit hellgrauen Veloursbezügen passte. Die Größe des Einzelbüros war verlockend, und Glock konnte sich gut vorstellen, sein heute mit Rauch geteiltes Doppelbüro gegen dieses hier einzutauschen. Röckl schüttelte seinem Stellvertreter kurz die Hand und setzte sich wieder in seinen Chefsessel. Glock nahm vor dem peinlich aufgeräumten Schreibtisch Platz und fing vorsichtig an:
    »Gestern hatte ich ein Gespräch mit Herrn Nagelschneider unter vier Augen …« Keine Reaktion bei Röckl.
    »… er lobte mich ausdrücklich für mein Vorgehen und die Ergebnisse im Vertriebsleiter-Treffen vorgestern. Sind Sie auf dem Laufenden, oder soll ich Ihnen kurz eine Zusammenfassung geben ?« Röckl sah fast so aus, als schliefe er gleich wieder ein, seine Lider standen auf Halbmast und die Mundwinkel hingen noch stärker herunter als sonst. Er schüttelte den Kopf.
    »Ich habe gehört, dass Sie die Sache gut in den Griff bekommen haben. Sie schaukeln das Kind schon, ich vertraue Ihnen da völlig !« Ähnlich hoch war das Interesse Röckls an der Arbeit seines Mitarbeiters stets gewesen, der immerhin als Vizechef der Abteilung die gesamte strategische Planungsarbeit koordinierte. Glock hatte es immer als Vorteil empfunden, dass er schalten und walten konnte, wie er wollte und sich dennoch in kritischen Situationen auf die wirkungsvolle Rückendeckung seines Chefs verlassen konnte.
    »Außerdem sprach er mich auf meine Zukunft und Ihre mögliche Nachfolge an .« Glock hatte

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