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MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Abend verspottet hatten, war Flucht für mich eine wünschenswerte Lösung.
    Nach der Dusche dachte ich kurz darüber nach, was ich anziehen sollte. Aber wen interessierte schon, was ich trug? Ich sah in den Spiegel des altmodischen Frisiertisches. Ich sah langweilig wie immer aus. Dunkelbrauner halblanger Rock, beigefarbener Pulli, braunweiß gemustertes Tüchlein. Jeans verabscheute Tante Henrietta an Frauen. An Männern auch. Aber in einem Anfall von Aufbegehren hatte ich trotzdem welche eingepackt. Ich erwog, sie auszupacken, aber dann kam ich doch davon ab und setzte mich vor den mit einem rosa Blümchenvolant verkleideten Frisiertisch, um meine kurzen Locken zu bürsten. Sie sind mit Abstand das Extravaganteste an mir, denn sie sind schimmernd rot und umrahmten an diesem Morgen völlig unpassend mein blasses, müdes Gesicht. Ich hasse Busreisen.
    Nachdem ich meine widerspenstigen Haare mit einer Menge Spray zu damenhafter Ordnung gerufen hatte, fiel mein Blick auf den Kamin im Zimmer. Er war natürlich lange nicht so groß wie der in der Halle, und er war offensichtlich auch in der letzten Zeit nie genutzt worden. Wärme spendete, wenn nötig, eine verschnörkelte Dampfheizung, die altersgrau vor der Täfelung weilte. Der Kamin war gemauert und gekrönt von einem schmalen Fries, der aus alten Mauerresten bestand. In der Mitte entdeckte ich eine hübsche Steinmetzarbeit. Es war die Blüte einer Silberdistel inmitten ihres stacheligen Blätterkranzes. Gedankenverloren fuhr ich die Konturen mit den Fingern nach.
     
    »Tante Henrietta?«
    Ich stand vor der Tür, bereit für das Frühstück, und klopfte.
    »Tante Henrietta!«
    Es war verdächtig still in ihrem Zimmer. Ich hatte mehrere Möglichkeiten - entweder ich weckte sie und zog ihren Zorn damit auf mich, oder ich erwischte sie beim Anziehen, was sie nicht mochte, oder ihr ging es schlechter, was ebenfalls unangenehm wäre.
    »Tante Henrietta!«, rief ich etwas lauter und klopfte energischer. War da nicht ein leises Stöhnen zu hören? Vorsichtig öffnete ich die Türe und trat ein. Es war dunkel im Zimmer, und als Erstes zog ich die dichten Vorhänge beiseite.
    Mir bot sich ein Bild des Jammers. Völlig apathisch lag meine Tante in den Kissen. Noch nicht einmal ein zorniges Funkeln kam aus ihren Augen.
    »Wie geht es dir?«
    »Dreckig.«
    Diese Wortwahl sagte mehr als alle Beschreibungen.
    »Ich werde versuchen, einen Arzt zu...«
    »Vergiss es. Keinen Arzt.«
    »Aber wenn du etwas Schlimmes hast...?«
    »Magen verdorben.«
    »Aber Tante Henrietta, woher willst du das denn wissen? Es könnte doch auch eine Salmonellenvergiftung sein.«
    »Krieg ich nicht. Geh endlich.«
    Leicht ist es wirklich nicht mit ihr. Aber in diesem desolaten Zustand war sie noch schwieriger als sonst. Ein wenig ratlos gab ich zu bedenken: »Hör mal, wir fahren doch heute weiter. Kannst du denn überhaupt aufstehen?«
    »Bleibe hier. Du auch.« Ein verhaltener Rülpser. »Jetzt geh.«
    Ach du liebe Zeit. Zwei Wochen an diesem abgelegenen Ende der Highlands? In Gesellschaft einer Horde hochnäsiger Jungmanager, die jeden Schritt von mir mit treffsicherer Verachtung kommentieren würden?
    Ich überlegte, was ich machen sollte. Eines konnte ich bestimmt nicht - allein mit der Gruppe weiterfahren. Tante Henrietta würde mir das nie verzeihen. Andererseits war Hierbleiben so schlecht vielleicht doch nicht. Ich erinnerte mich an die sehnsüchtigen Gefühle, die mich vor Kurzem überkommen hatten. Also sollte ich den Hotelmanager aufsuchen und ihn bitten, uns die beiden kommenden Wochen zu beherbergen, bis die Bustour uns auf dem Rückweg wieder aufnahm.
    Wenn ich schon mal eine Entscheidung treffe, dann zögere ich selten, sie in die Tat umzusetzen. Ich ging nach unten in die Halle, umrundete unauffällig meine frühstückenden Mitreisenden. Man konnte sie nur bewundern. Ich hätte auf gar keinen Fall fettige Würstchen, Nieren und Berge von gebackenen Bohnen essen können. Das ließ auf eine Schwäche der Konstitution schließen, wie sie offensichtlich meiner Familie eigen war. Denn Tante Henriettas Leiden war weitgehend auf ihren Stolz zurückzuführen, sich vor Frau Liebmann und den anderen keine Blöße geben zu wollen.
    MacDuffnet fand ich wieder an der Rezeption, zusammen mit einer Dame aus unserer Reisegruppe. Ich blieb, wie üblich, unbemerkt und hörte den beiden zu.
    »Aber selbstverständlich wechsle ich Ihnen das Geld. Wir rechnen einen besonderen Kurs aus... Schauen wir

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