Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
gekämmt, das übliche strahlende Grinsen im Gesicht.
    »Jetzt hat er sein Gebiß wieder im
Mund«, dachte Sarah. Sie wünschte, sie würde diesen Mann nicht so fürchterlich
abstoßend finden.
    Das stickige Einzimmerapartment sah
eigentlich ziemlich ordentlich aus, abgesehen von der zerwühlten Couch, auf der
Fieringer offenbar geschlafen hatte. Was den Raum so unbeschreiblich
vollgestopft aussehen ließ, waren die vielen Bilder. Überall im Zimmer hingen
und standen Fotos von bekannten, weniger bekannten und unbekannten Personen;
sie waren mit Reißzwecken an die Wände geheftet oder standen eng gedrängt auf
dem Tisch, dem Sekretär und dem Kaminsims aus imitiertem Marmor, unter dem sich
überhaupt kein offener Kamin befand. Viele von ihnen hatten Widmungen: »Für
Nick in Liebe«, »Für Nick mit den besten Wünschen«, »Für Nick«, »Für meinen
guten Freund Nick«, »Für den lieben Nick« und noch einmal »Für Nick«, von
irgendeinem Unbekannten in Riesenbuchstaben hingekritzelt. Auf einigen Bildern
war auch der Impresario selbst mit seinem breiten Grinsen zu sehen, den Arm um
eine widerwillige Schulter gelegt oder eine zögernd ausgestreckte Hand in der
Pranke haltend. Es stimmte wirklich, er kannte tatsächlich jeden.
    Bittersohn verschwendete keine Zeit für
Höflichkeiten. »Ich vermute, du weißt, daß Lydia vergiftet worden ist?«
    »Welche Lydia?«
    »Spiel nicht den Dummen, Nick. Nummer
drei von links auf dem Kaminsims.«
    Tatsächlich stand dort ein Foto von
Nick und Lydia, das offenbar vor Jahren in einem Nachtclub aufgenommen worden
war. »Für meinen Liebling Nickie« hatte sie mit rotem Stift auf das
Passepartout gekritzelt. Fieringer watschelte hinüber zum Kamin und sah sich
das Bild lange an. Dann drehte er sich wieder um.
    »Ja, ich weiß.«
    »Wer hat es getan?«
    »Sie selbst, als sie diese verrückten
Spiele mit ihren Magenkapseln veranstaltet hat.«
    »Und das glaubst du?«
    Der beleibte Mann schluckte zweimal und
zog den Gürtel seines Bademantels enger um seinen Hängebauch. »Das muß ich ja
wohl, oder?«
    »Keineswegs.«
    »Maxie, du verstehst mich nicht.«
    »Ich glaube doch.«
    »Warum kommst du dann jetzt und läßt
mich nicht in Ruhe? Warum kannst du einen alten Mann nicht ein wenig schlafen
lassen?«
    »Was hattest du vor einer halben Stunde
in den Fenway-Studios zu suchen?«
    »Ich habe Bernie gesucht. Er spielt
morgen in meinem Konzert, und ich will, daß er nüchtern ist. Manchmal schläft
er bei Lydia. Heute war allerdings Bill Jones da. Frag ihn doch selbst!«
    »Was hattest du mitgenommen?«
    »Mitgenommen? Was sollte ich denn
mitgenommen haben? Was kann man denn da schon großartig mitnehmen?«
    »Wo warst du, bevor du in Lydias
Wohnung aufgetaucht bist?«
    »Überall. Das Leben ist nicht leicht
für einen alten Mann.«
    Bittersohn reagierte nicht auf Nicks
nervöses Lächeln. »Hast du Lupe gesehen?«
    »Welchen Lupe?«
    »Hat er dir nichts gegeben?«
    »Lupe mir etwas gegeben? Eins kannst du
mir glauben, Lupe nimmt nur, der gibt nie.«
    »Was hattest du heute abend an?«
    »Was ich anhatte?« Die Frage verwirrte
Nick offenbar sehr. »Meinen Anzug selbstverständlich. Den auf dem Stuhl.« Eine
graue Hose lag ordentlich gefaltet über dem Stuhlsitz, das dazugehörige Jackett
hing über der Lehne. »Morgens bügle ich ihn immer auf, bevor ich ihn anziehe«,
entschuldigte er sich bei Sarah.
    Bittersohn nahm die Kleidungsstücke in
die Hand und überprüfte sie Zentimeter für Zentimeter. Sarah versuchte, nicht
hinzusehen. Die riesige Hose mit dem ausgebeulten Hosenboden und den Falten,
die strahlenförmig vom Schritt ausgingen, und das billige Jackett mit den
Schweißflecken unter den Achseln waren einfach zu ekelhaft. Es war derselbe
Anzug, den er getragen hatte, als er schwitzend und Bier trinkend in Sarahs
kleinem Wohnzimmer gesessen hatte. Wenn sie genauer nachdachte, war es sogar
der einzige Anzug, in dem sie ihn je gesehen hatte, und wahrscheinlich besaß er
auch nur den einen. Was zum Teufel tat er dann wohl mit dem ganzen Geld, das er
offenbar verdiente?
    »Wo ist das Hemd, das du anhattest?«
fragte Bittersohn.
    »Hängt im Badezimmer. Ich wasche es
jeden Abend. Pflegeleicht, sehr praktisch«, erklärte er Sarah wieder.
    Sie schämte sich zu Tode, hier zu sein.
Der Anblick dieses feisten Menschen, der verzweifelt versuchte, sein Gesicht zu
wahren und sich selbst weiszumachen, daß alle Welt ihn liebte, und der nur ein
bißchen Schlaf finden wollte nach einer

Weitere Kostenlose Bücher