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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Klavierspiel ihre Finger dahinsprangen, desto tiefer ward sein Entzücken. Sie hämmerte kühn auf die Tasten und glitt ohne Stocken von oben nach unten über die ganze Klaviatur. Auf diese Weise bearbeitet, war das alte Instrument, dessen Saiten tremolierten, bis ans Ende des Dorfes zu hören, wenn das Fenster offenstand, und der Kanzlist des Gerichtsvollziehers, der barhäuptig und in Schlappen die Landstraße daherkam, ließ sich oftmals aufhalten und lauschte, sein Blatt Papier in der Hand.
    Andererseits verstand Emma ihren Haushalt zu führen. Sie schickte den Kranken die Abrechnung für Besuche in wohlgesetzten Briefen, die nicht nach Geldforderung rochen. Hatten sie sonntags irgendeinen Nachbarn zum Essen, schaffte sie es, ein hübsches Gericht aufzutischen, konnte Renekloden auf Weinblättern zu Pyramiden türmen, servierte die Töpfchen mit eingemachtem Obst auf einen Teller gestürzt, und sie erwähnte sogar, Mundspülschalen zu kaufen fürs Dessert. Von alldem fiel hohes Ansehen zurück auf Bovary.
    Charles bekam schließlich mehr Achtung vor sich selbst, weil er eine solche Frau besaß. Voller Stolz zeigte er in der Stube zwei ihrer kleinen Bleistiftskizzen, denn er hatte sie einrahmen lassen in sehr breite Rahmen und an langen grünen Bändern vor der Wandtapete aufgehängt. Nach der Messe sah man ihn auf seiner Türschwelle in schönen bestickten Pantoffeln.
    Er kam spät nach Hause, um zehn, manchmal erst um Mitternacht. Dann wollte er essen, und weil das Dienstmädchen bereits schlief, servierte Emma. Er zog seinen Gehrock aus, um bequemer zu speisen. Er nannte hintereinander alle Leute, denen er begegnet war, die Dörfer, die er aufgesucht, die Rezepte, die er ausgestellt hatte, und zufrieden mit sich selbst, aß er das übriggebliebene Rindfleisch, schälte seinen Käse, biss in einen Apfel, leerte seine Karaffe, dann ging er zu Bett, legte sich auf den Rücken und schnarchte.
    Da er lange nur an Zipfelmützen gewöhnt war, wollte ihm sein Tuch nicht auf den Ohren halten; deshalb hingen ihm morgens die Haare wirr ins Gesicht und ganz weiß von den Daunen seines Kissens, dessen Bänder sich in der Nacht lösten. Er trug immer grobe Stiefel, die über dem Rist zwei wulstige, zu den Knöcheln hinablaufende Falten bildeten, während das übrige Leder glatt war, gespannt wie durch einen Holzfuß. Er pflegte zu sagen, das sei wirklich gut genug fürs Land .
    Seine Mutter lobte diese Sparsamkeit; denn sie besuchte ihn so wie früher, wenn bei ihr zu Hause das Barometer auf Sturm stand; und dennoch schien die alte Madame Bovary wenig angetan von ihrer Schwiegertochter. Sie fand ihre Manieren zu vornehm für die Vermögenslage ; Holz, Zucker und Kerzen schwänden dahin wie in einem großen Haushalt , und die Unmenge von Glut, die in der Küche niederbrannte, hätte für fünfundzwanzig Essen gereicht! Sie ordnete ihre Wäsche in den Schränken und brachte ihr bei, den Metzger zu kontrollieren, wenn er Fleisch lieferte. Emma nahm die Ratschläge entgegen; Madame Bovary verteilte sie großzügig; und die Worte liebe Tochter und liebe Mutter wanderten den ganzen Tag hin und her, begleitet von einem leichten Zittern der Lippen, denn jede führte sanfte Reden mit einer Stimme, die vor Zorn erbebte.
    In der Zeit von Madame Dubuc meinte die alte Frau noch, sie genieße den Vorzug; nun jedoch schien ihr Charles’ Liebe zu Emma ein Verrat an ihrer Zärtlichkeit, ein Zugriff auf das, was ihr gehörte; und sie beobachtete das Glück ihres Sohnes mit traurigem Schweigen, so wie ein Zugrundegerichteter durchs Fenster auf Leute blickt, die in seinem alten Haus am Tische sitzen. Sie erinnerte ihn zur Gedächtnisauffrischung an ihre Mühen und Opfer, verglich diese mit Emmas Sorglosigkeit und zog den Schluss, es sei keineswegs vernünftig, sie auf eine so ausschließliche Weise anzuhimmeln.
    Charles wusste nicht, was er antworten sollte; er achtete seine Mutter, und er liebte seine Frau unendlich; er hielt das Urteil der einen für unfehlbar, und doch war ihm die andere über jeden Tadel erhaben. Nach Madame Bovarys Abreise wagte er zaghaft, und in den gleichen Wendungen, eine oder zwei der harmlosesten Bemerkungen, die er von seiner Mama gehört hatte; Emma bewies mit einem Wort, dass er sich irrte, und schickte ihn zu seinen Kranken.
    Trotzdem versuchte sie, mit Hilfe für gut befundener Theorien, Liebe in sich zu wecken. Bei Mondschein rezitierte sie im Garten alles, was sie an leidenschaftlichen Reimen auswendig

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