Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Bäume glichen einer braunen Säulenreihe, die sich scharf abzeichnete vor dem goldenen Hintergrund; Angst stieg in ihr hoch, sie rief Djali, kehrte über die Landstraße rasch zurück nach Tostes, sank in einen Lehnstuhl und sagte den ganzen Abend kein Wort.
Doch gegen Ende September tat sich etwas Außergewöhnliches in ihrem Leben: sie wurde eingeladen nach La Vaubyessard, zum Marquis d’Andervilliers.
Staatssekretär unter der Restauration, suchte der Marquis nun wieder im politischen Leben Fuß zu fassen und plante von langer Hand seine Kandidatur für die Abgeordnetenkammer. In der Winterzeit ließ er großzügig Holzbündel verteilen, und im Generalrat forderte er vehement immerzu Straßen für seinen Bezirk. Während der heißen Tage hatte er im Mund einen Abszess bekommen, von dem Charles ihn wie durch ein Wunder mit einem gezielten Lanzettenstich erlöst hatte. Der Verwalter, der nach Tostes entsandt wurde, um die Operation zu bezahlen, sagte am Abend, er habe im Gärtchen des Arztes herrliche Kirschen gesehen. Die Kirschbäume in La Vaubyessard gediehen aber schlecht, der Herr Marquis erbat von Bovary ein paar Pfröpflinge, betrachtete es als seine Pflicht, ihm persönlich zu danken, erblickte Emma, fand, sie habe eine hübsche Figur und grüße nicht wie eine Bäuerin; sodass man auf dem Schloss meinte, weder die Grenzen der Höflichkeit zu überschreiten noch andererseits eine Taktlosigkeit zu begehen, wenn man das junge Paar einlud.
An einem Mittwoch um drei bestiegen Monsieur und Madame Bovary ihren Boc und fuhren nach La Vaubyessard, mit einem großen Schrankkoffer, der hinten aufgebunden war, und einer Hutschachtel, vorn auf dem Spritzleder. Charles hielt außerdem noch einen Pappkarton zwischen den Beinen.
Sie erreichten ihr Ziel bei Einbruch der Nacht, als man gerade Lampions im Park entzündete, um den Wagen hereinzuleuchten.
Anmerkungen
VIII.
Das Schloss, ein moderner Bau in italienischem Stil, mit zwei vorspringenden Flügeln und drei Freitreppen, entfaltete sich am Ende einer ungeheuren Rasenfläche, auf der ein paar Kühe weideten, zwischen vereinzelten Grüppchen hoher Bäume, während buschiges Gesträuch, Rhododendren, wilder Jasmin, Schneebälle, die geschwungene Linie des Sandwegs mit seinem mannigfaltigen grünen Laub überwölbte. Ein Bach floss unter einer Brücke; durch den Nebel sah man Gebäude mit Strohdächern, verstreut über die Wiese, die eingefasst war von zwei sanft ansteigenden, bewaldeten Hängen, und dahinter, unter Gehölz, standen in zwei parallelen Reihen die Remisen und Stallungen, Überreste des zerstörten alten Schlosses.
Charles’ Boc hielt vor der mittleren Freitreppe; Dienstboten erschienen; der Marquis trat heran und bot der Gattin des Arztes seinen Arm, geleitete sie in die Eingangshalle.
Diese war mit Marmorplatten ausgelegt, sehr hoch, und das Geräusch der Schritte und Stimmen hallte wie in einer Kirche. Gegenüber stieg eine gerade Treppe empor, und linker Hand führte eine Galerie, die sich zum Garten öffnete, ins Billardzimmer, aus dem man bereits an der Tür die Elfenbeinkugeln klackern hörte. Als sie es auf dem Weg in den Salon durchquerte, sah Emma rund um den Spieltisch Männer mit würdevollen Gesichtern, das Kinn auf hohen Halsbinden thronend, alle ordengeschmückt und still vor sich hin lächelnd, während sie mit ihrem Queue zustießen. Auf dem dunklen Holz der Wandtäfelung trugen große Goldrahmen am unteren Rand mit schwarzen Lettern geschriebene Namen. Sie las: »Jean-Antoine d’Andervilliers d’Yverbonville, Graf von La Vaubyessard und Baron von La Fresnaye, gefallen in der Schlacht von Coutras, den 20. Oktober 1587.« Und auf einem anderen: »Jean-Antoine-Henry-Guy d’Andervilliers de la Vaubyessard, Admiral von Frankreich und Ritter des Sankt-Michael-Ordens, verwundet in der Schlacht von La Hougue-Saint-Vaast, den 29. Mai 1692, gestorben in La Vaubyessard den 23. Januar 1693.« Die folgenden konnte man kaum noch entziffern, denn das Licht der Lampen war auf das grüne Tuch des Billards gerichtet und ließ den Raum im Dunkel. Es färbte die querformatigen Gemälde braun, brach sich an ihnen in feinen Strichen entlang der Krakelüren auf dem Firnis; und aus all diesen großen, schwarzen, goldumrahmten Vierecken tauchte hier und da ein hellerer Bildteil hervor, eine blasse Stirn, zwei Augen, die einen anblickten, Perücken, die sich hinabringelten auf die gepuderten Schultern roter Röcke, oder die Schnalle eines Hosenbandes
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