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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Zucht des Leibes und das Heil ihrer Seele, dass sie reagierte wie ein Pferd, dem man die Zügel straff zieht: sie bockte, und die Kandare rutschte ihr aus dem Maul. Dieses trotz seiner Schwärmereien nüchterne Wesen, das die Kirche wegen ihrer Blumen, die Musik wegen der Worte in den Romanzen und die Literatur wegen der prickelnden Leidenschaften geliebt hatte, meuterte gegen die Mysterien des Glaubens, und sie ärgerte sich in noch stärkerem Maße über die ihrer Natur widerwärtige Disziplin. Als der Vater sie aus dem Internat nahm, war niemand betrübt über ihren Abgang. Die Oberin fand sogar, sie habe es in letzter Zeit an Respekt fehlen lassen gegenüber der Schwesternschaft.
    Als Emma wieder zu Hause war, gefiel ihr zunächst das Herumkommandieren der Dienstboten, dann fasste sie eine heftige Abneigung gegen das Landleben und vermisste ihr Kloster. Als Charles zum ersten Mal nach Les Bertraux kam, schien ihr, sie sei völlig desillusioniert, habe nichts mehr zu lernen, dürfe nichts mehr empfinden.
    Aber das bange Gefühl einer neuen Seelenstimmung, oder vielleicht die von der Anwesenheit dieses Mannes bewirkte Unruhe, hatte ausgereicht, ihr vorzugaukeln, sie besitze endlich jene wundervolle Leidenschaft, die bisher wie ein großer Vogel mit rosa Federkleid im Glanze poetischer Himmel schwebte; – und nun konnte sie nicht glauben, dass die Ruhe, in der sie lebte, das Glück sein sollte, von dem sie geträumt hatte.

    Anmerkungen

VII.

    Mitunter dachte sie, dies wären immerhin die schönsten Tage ihres Lebens, der Honigmond, wie man so sagte. Um seine Süße auszukosten, hätte man wahrscheinlich in jene Länder mit klangvollen Namen reisen müssen, wo die Flitterwochen erfüllt sind von wonniger Trägheit! In Postkutschen, hinter blauen Seidenvorhängen, rollt man im Schrittempo steile Straßen bergan, lauscht dem Lied des Postillions, das widerhallt zwischen den Bergen, mit dem Gebimmel der Ziegen und dem dumpfen Rauschen des Wasserfalls. Wenn die Sonne untergeht, atmet man an Meeresbusen den Duft der Zitronenbäume; abends dann, auf einer Villenterrasse, allein und die Hände ineinandergeschlungen, blickt man hinauf zu den Sternen und schmiedet Pläne. Es dünkte sie, gewisse Orte auf der Erde müssten Glück hervorbringen wie eine für den Boden typische Pflanze, die überall sonst schlecht gedeiht. Warum konnte sie nicht am Balkon eines Schweizerhauses lehnen oder ihre Schwermut in einem schottischen Cottage verschließen, an der Seite eines Ehemanns, der in einen schwarzen Samtrock mit langen Schößen gekleidet war und weiche Stiefel trug, einen spitzen Hut und Manschetten!
    Vielleicht hätte sie all diese Dinge gern jemandem anvertraut. Doch auf welche Weise ein nicht fassbares Unbehagen ausdrücken, das sich verändert wie die Wolken, wirbelt wie der Wind? Es fehlten ihr also die Worte, eine Gelegenheit, Mut.
    Wenn Charles es freilich gewollt, wenn er etwas geahnt hätte, wenn sein Blick ein einziges Mal ihren Gedanken entgegengekommen wäre, dann, so schien ihr, hätte jäher Überfluss sich gelöst aus ihrem Herzen, wie die Ernte vom Spalier fällt, sobald man sie mit der Hand berührt. Doch während im gemeinsamen Leben die Vertrautheit enger wurde, kam es zu einer inneren Loslösung, die sie von ihm trennte.
    Charles’ Konversation war platt wie ein Gehsteig, und darauf defilierten Allerweltsgedanken in ihrer gewöhnlichen Tracht, ohne Gefühle hervorzulocken oder Lachen oder Träumerei. Es habe ihn niemals gereizt, sagte er, sich während seiner Zeit in Rouen die Schauspieler aus Paris auf dem Theater anzuschauen. Er konnte weder schwimmen noch fechten, noch mit der Pistole schießen, und eines Tages war er außerstande, ihr einen Ausdruck der Reitkunst zu erklären, den sie in einem Roman gelesen hatte.
    Musste ein Mann denn nicht alles wissen, in mannigfaltigsten Dingen brillieren, einen vertraut machen mit den Wirkungskräften der Leidenschaft, mit den Feinheiten des Lebens, mit jedem Geheimnis? Der da hingegen lehrte einen nichts, konnte nichts, wollte nichts. Er hielt sie für glücklich; und sie zürnte ihm wegen dieser soliden Ruhe, dieser heiteren Schwerfälligkeit, ja sogar wegen des Glücks, das sie ihm schenkte.
    Manchmal zeichnete sie; und für Charles war es ein großes Vergnügen, danebenzustehen und zu beobachten, wie sie, über ihr Blatt gebeugt, die Augen zusammenkniff, um ihr Werk besser zu sehen, oder auf ihrem Daumen Brotkrumen zu Kügelchen rollte. Und je flinker beim

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