Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
liebe. Ich bin ein alter Romantiker, ein fanatischer, oder ein verknöcherter, wie Sie wollen.« Im übrigen arbeitet er an Salammbô , liest offenbar alles, was ihm Duplan schickt, amüsiert sich und lästert: »Folgende Geschichte zu Ihrem Ergötzen. Der Pfarrer von Canteleu [Gemeinde, zu der Croisset gehört] wettert gegen die Bovary und verbietet seinen Schäflein, mich zu lesen. Sie werden mich für sehr dumm halten, aber ich versichere Ihnen, das war für mich eine große Freude der Eitelkeit. Das hat mir mehr geschmeichelt, vom Erfolg her, als irgendein Lobgesang« (3. oder 4. Oktober 1857).
Geschmeichelt hat ihm sicher auch das Urteil Victor Hugos, des Übervaters der romantischen Literatur. Gleich im April hatte Flaubert über einen Mittelsmann, den Romancier und Dramatiker Paul Meurice, ein Exemplar an den seit 1851 im Exil lebenden Dichter geschickt, versehen mit der Widmung: »Au Maître, souvenir et hommage, Gve Flaubert.« Dem Meister, in Erinnerung und Verehrung. Wegen Hugos Opposition zum Kaiserreich waren Vorsichtsmaßnahmen angebracht, und der Briefverkehr mit dem »großen Krokodil«, wie Louise Colet und Flaubert ihn spöttisch-liebevoll nannten, musste über Umwege gehen. »Sie sind einer jener hohen Wipfel, den alle Schläge treffen, den jedoch keiner fällt. Ich bin mit ganzem Herzen bei Ihnen«, hatte ihm Hugo in Anspielung auf den Prozess gesagt (12. April 1857). Nun bedankt er sich für den Roman: »Hauteville-House, 30. August 1857. Sie haben ein schönes Buch geschrieben, Monsieur, und ich bin glücklich, Ihnen das sagen zu dürfen. Es gibt zwischen Ihnen und mir eine Art Band, das mich an Ihren Erfolgen Anteil nehmen lässt. Ich erinnere mich an Ihre bezaubernden und noblen Briefe von vor vier Jahren, und mir ist, als sähe ich sie wieder durch die schönen Seiten, die Sie mir heute zu lesen erlauben. Madame Bovary ist ein Werk. Ihre so freundliche Sendung gelangte erst spät zu mir; und das erklärt Ihnen auch die Verspätung dieses Briefes. Sie sind, Monsieur, einer der führenden Köpfe der Generation, der Sie angehören. Tragen Sie ihr auch weiterhin die Fackel der Kunst voraus. Ich bin in der Finsternis, doch meine Liebe gilt dem Licht. Das soll Ihnen sagen, dass ich Sie liebe. Ich drücke Ihnen beide Hände. Victor Hugo.«
Im Herbst wird Flaubert mit langen Besprechungen geradezu verwöhnt. Der bedeutende Romancier und ultramontane Katholik Jules-Amédée Barbey d’Aurevilly, der ebenfalls aus der Normandie stammt, würdigt in Le Pays vom 6. Oktober 1857 ausführlich Flauberts Verdienste. Darüber gefreut hat sich der Belobte wahrscheinlich nur maßvoll, er grollte Barbey d’Aurevilly wegen böser Äußerungen über Louis Bouilhets Verserzählung Melaenis , und in Sachen Freundschaft kannte Flaubert kein Pardon.
Barbey d’Aurevilly, gleichermaßen bekannt für seine ätzenden Kritiken wie für seine geistige Unabhängigkeit, streicht zunächst das Neuartige, Besondere an Flaubert heraus: »Unter den Erzeugnissen einer Abschreibliteratur, unter all diesen Romanen, die mehr oder weniger von Balzac oder Stendhal herstammen – die einzigen Romanciers mit Erfindungskraft und Beobachtungsgabe in unserem Jahrhundert –, musste ein Buch, das einen eigenen Ton besaß, Originalität, eine entschiedene Manier – entschieden bis zur Härte – die Kenner verblüffen. Und so verlief auch die Geschichte, die sofort einsetzende Geschichte der Madame Bovary von Monsieur Flaubert. Unseres Erachtens war niemals irgendein Erfolg begründeter. Die beiden Grundvoraussetzungen für anhaltende Erfolge waren gegeben: Das Buch ist besser als die anderen Gegenwartsbücher derselben Gattung, und außerdem hatte es einen Wert an sich. […] Monsieur Flaubert ist gewiss ein Moralist, aber er zeigt keine Gefühle – er fällt kein Urteil, zumindest kein wägbares. Er ist ein stetiger und unermüdlicher Erzähler, er ist ein Beschreiber , bis hin zur kleinsten Feinheit, aber er ist taubstumm gegen den Eindruck all dessen, was er erzählt. Er ist gleichgültig gegen das, was er mit der Gewissenhaftigkeit der Liebe beschreibt. Würde man in Birmingham oder in Manchester Erzähl- oder Analysiermaschinen aus gutem englischen Stahl bauen, die nach unbekannten dynamischen Verfahren von ganz allein funktionierten, dann würden sie ganz genau so funktionieren wie Monsieur Flaubert.«
Die erzählerische »Objektivität« Flauberts hält Barbey d’Aurevilly jedoch für einen Mangel, für eine Armut. Er
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