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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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verstopft sind, und sie hätte sich auch weiter in Sicherheit gewiegt, da entdeckte sie plötzlich einen Riss in der Mauer.

    Anmerkungen

V.

    Es war ein Sonntag im Februar, nachmittags, und es schneite.
    Alle zusammen, Monsieur und Madame Bovary, Homais und Monsieur Léon, machten einen Ausflug, um eine halbe Meile von Yonville eine Flachsspinnerei zu besichtigen, die im Tal errichtet wurde. Der Apotheker hatte Napoléon und Athalie mitgenommen, um ihnen Bewegung zu verschaffen, und Justin begleitete sie, ihre Regenschirme auf der Schulter.
    Nichts jedoch war so wenig sehenswert wie diese Sehenswürdigkeit. Ein weitläufiges leeres Gelände, auf dem zwischen Sand- und Kieshaufen ein paar schon verrostete Zahnräder durcheinanderlagen, umgab ein langes viereckiges Bauwerk mit unzähligen kleinen Fenstern. Es war noch nicht fertig, und durch die Dachbalken erblickte man den Himmel. An der Giebelspitze war ein Strauß aus Stroh und Ähren befestigt, dessen blau-weiß-rote Bänder im Wind knatterten.
    Homais redete. Er setzte den Herrschaften die zukünftige Bedeutung dieses Unternehmens auseinander, berechnete die Stärke der Fußböden, die Dicke der Mauern und bedauerte sehr, keinen Meterstab zu haben, wie Monsieur Binet einen besaß für seinen persönlichen Gebrauch.
    Emma, die ihm den Arm reichte, lehnte sich ein wenig an seine Schulter und betrachtete die Sonnenscheibe, die in dunstiger Ferne ihr fahl schimmerndes Licht ausstrahlte; doch sie wandte den Kopf: Charles stand da. Er hatte seine Mütze tief in die Augen gezogen, und seine beiden dicken Lippen zitterten, was seinem Gesicht etwas Stumpfsinniges gab; sogar sein Rücken, sein ruhiger Rücken war beim Hinsehen ein Ärgernis, und der Gehrock darüber enthüllte die ganze Plattheit seines Wesens.
    Während sie ihn musterte und in ihrem Ärger eine Art verderbter Lust auskostete, trat Léon einen Schritt heran. Die Kälte machte ihn bleicher und schien leise Wehmut auf sein Gesicht zu legen; zwischen Halsbinde und Hals ließ der etwas lockere Hemdkragen seine Haut sehen; ein Stückchen Ohr schaute unter einer Haarlocke hervor, und seine zu den Wolken erhobenen, großen blauen Augen dünkten Emma klarer und schöner als jene Bergseen, in denen sich der Himmel spiegelt.
    »Unglücksvogel!« schrie plötzlich der Apotheker.
    Und er lief zu seinem Sohn, der in einen Kalkhaufen gesprungen war, um seine Schuhe weiß zu färben. Als er scharf getadelt wurde, verfiel Napoléon in lautes Gebrüll, während Justin ihm mit einem Strohwisch die Füße putzte. Doch man hätte ein Messer gebraucht; Charles zog seines hervor.
    »O Gott!« sagte sie sich, »er hat ein Messer in der Tasche wie ein Bauer!«
    Es fiel eisiger Rauhreif, und man kehrte heim nach Yonville.
    Madame Bovary ging am Abend nicht zu ihren Nachbarn, und nachdem Charles das Haus verlassen hatte und sie sich allein wusste, drängte erneut der Vergleich heran, mit der Schärfe eines fast unmittelbaren Eindrucks und jener perspektivischen Verlängerung, die den Gegenständen in der Erinnerung zuwächst. Während sie vom Bett in das hell brennende Feuer blickte, sah sie noch einmal Léon dastehen, wie am Nachmittag, mit der einen Hand auf das Spazierstöckchen gestützt und an der anderen Athalie haltend, die seelenruhig ein Stück Eis lutschte. Sie fand ihn charmant; sie konnte sich gar nicht losreißen; andere Posen von anderen Tagen kamen ihr in den Sinn, Sätze, die er gesagt hatte, der Klang seiner Stimme, seine ganze Gestalt; und sie wiederholte, die Lippen spitzend wie zu einem Kuss:
    »Ja, charmant! charmant! … Ist er verliebt?« fragte sie sich. »Bloß in wen? … Natürlich, in mich!«
    Alle Beweise waren plötzlich so klar, ihr Herz hämmerte. Die Flamme im Kamin warf ein freudig zitterndes Licht an die Decke; sie drehte sich auf den Rücken und streckte die Arme weit aus.
    Nun begann das ewiggleiche Lamento: »Oh! wenn der Himmel gewollt hätte! Warum denn nicht? Wer ist schuld? …«
    Als Charles um Mitternacht wiederkam, schien sie aus tiefem Schlaf zu erwachen, und da er beim Auskleiden Geräusche machte, klagte sie über Migräne; dann fragte sie beiläufig, wie der Abend gewesen sei.
    »Monsieur Léon«, sagte er, »ist früh nach oben gegangen.«
    Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken und schlief ein, die Seele erfüllt von neuartigem Zauber.
    Anderentags, bei Einbruch der Dunkelheit, erhielt sie Besuch vom Herrn Lheureux, dem Modewarenhändler.
    Er war ein tüchtiger Mann, dieser

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