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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Krämer.
    Als Gascogner geboren, aber zum Normannen geworden, vereinte er südfranzösische Zungenfertigkeit mit der Abgefeimtheit des Pays de Caux. Sein dickes Gesicht, schlaff und bartlos, sah aus wie durch einen Absud von heller Lakritze gefärbt, und sein weißes Haar unterstrich den herben Glanz seiner schwarzen Äuglein. Keiner wusste, was er früher gewesen war: Hausierer, sagten die einen, Bankier in Routot, meinten die anderen. Sicher ist, er machte im Kopf so komplizierte Rechnungen, dass selbst Binet einen Schreck bekam. Höflich bis zur Kriecherei, sah man ihn stets in leicht buckelnder Haltung, wie jemand, der grüßt oder hereinbittet.
    Nachdem er seinen mit Trauerflor umwundenen Hut an der Tür abgelegt hatte, stellte er einen grünen Karton auf den Tisch und fing an, sich unter vielen Respektbezeugungen bei Madame zu beklagen, er genieße bis auf den heutigen Tag nicht ihr Vertrauen. Ein armseliger Laden wie der seine war nicht imstande, eine elegante Dame anzulocken; er betonte das Wort. Sie musste nur bestellen, und er kümmerte sich darum, alles zu liefern, was sie wünschte, ob Kurzwaren, Wäsche, Wirk- und Strickwaren oder Modeneuheiten; denn in die Stadt fuhr er viermal pro Monat, regelmäßig. Er stand in Verbindung mit den besten Häusern. Man konnte sich bei den Trois Frères , der Barbe d’or oder dem Grand Sauvage nach ihm erkundigen; alle diese Herren kannten ihn wie ihre Westentasche! Heut also schaute er im Vorübergehen bei Madame herein, um ihr verschiedene Artikel zu zeigen, die er rein zufällig hatte, dank einer ganz außerordentlichen Gelegenheit. Und er zog aus der Schachtel ein halbes Dutzend gestickter Kragen.
    Madame Bovary nahm sie in Augenschein.
    »Ich brauche nichts«, sagte sie.
    Nun präsentierte Monsieur Lheureux unaufdringlich drei algerische Schärpen, mehrere Päckchen mit englischen Nadeln, ein Paar Strohpantoffeln und schließlich vier Eierbecher aus Kokosschale, deren fein durchbrochene Ziselierung von Zuchthäuslern stammte. Die beiden Hände auf dem Tisch, den Hals vorgereckt, den Rücken gekrümmt, folgte er dann mit offenem Mund Emmas Blick, der unschlüssig zwischen den Waren hin und her schweifte. Von Zeit zu Zeit, wie um Staub wegzuschnippen, fuhr er mit dem Fingernagel über die seidenen Schärpen, die in voller Länge ausgerollt dalagen; und sie erbebten mit leisem Knistern, ließen im grünlichen Dämmerlicht die Goldpailletten auf ihrem Gewebe flimmern wie kleine Sterne.
    »Wie viel kosten sie?«
    »Einen Pappenstiel«, antwortete er, »einen Pappenstiel; eilt aber nicht; ganz wie Sie möchten; wir sind keine Juden!«
    Sie überlegte ein Weilchen, am Ende wies sie Monsieur Lheureux’ Offerte noch einmal dankend zurück, und dieser entgegnete gelassen:
    »Schon gut, wir kommen später ins Geschäft; mit den Damen habe ich mich immer gut vertragen, außer mit der meinigen natürlich!«
    Emma lächelte.
    »Ich wollte nur sagen«, fuhr er nach seinem Scherz gutmütig fort, »das Geld macht mir keine Sorgen … Ich gebe Ihnen welches, wenn’s not tut.«
    Sie wirkte überrascht.
    »Ach!« sagte er lebhaft und mit leiser Stimme, »ich muss nicht weit gehen, um welches zu finden; verlassen Sie sich drauf!«
    Und er begann nach Vater Tellier zu fragen, dem Wirt des Café Français , der gerade bei Monsieur Bovary in Behandlung war.
    »Was fehlt ihm bloß, dem Vater Tellier? … Er hustet, dass sein ganzes Haus wackelt, und ich fürchte, er braucht demnächst eher einen Überrock aus Tannenholz als ein Leibchen aus Flanell? Der hat ordentlich geludert, als er jung war! Diese Leute, Madame, kannten weder Maß noch Ziel! Er hat sich mit Schnaps ausgebrannt. Trotzdem ist es betrüblich, wenn man sieht, wie ein alter Bekannter abtritt.«
    Und während er seinen Karton wieder einpackte, schwatzte er über die Patienten des Arztes.
    »Wahrscheinlich liegt es am Wetter«, sagte er und blickte mit mürrischem Gesicht zu den Fenstern, »es ist schuld an all diesen Krankheiten! Ich bin auch nicht so recht auf der Höhe; ich muss wohl bald einmal Monsieur aufsuchen, wegen einem Schmerz, den ich im Kreuz habe. Also dann, auf Wiedersehen, Madame Bovary; stehe jederzeit zur Verfügung; ergebenster Diener!«
    Und leise schloss er die Tür.
    Emma ließ sich das Essen in ihrem Zimmer servieren, vor dem Kamin, auf einem Tablett; sie aß und aß; alles schmeckte ihr.
    »Wie vernünftig ich war!« sagte sie sich und dachte an die Schärpen.
    Sie hörte Schritte im Treppenhaus: es

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