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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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sich taub stellen, und er hatte nichts zu verkaufen. Nun entdeckte er derartige Schwierigkeiten, dass er eine so unangenehme Denkaufgabe rasch aus seinem Bewusstsein verbannte. Er warf sich vor, Emma darüber zu vergessen; als ob all sein Nachsinnen dieser Frau gehörte und er ihr etwas stehlen würde, dächte er nicht beständig an sie.
    Der Winter war kalt. Madames Genesung dauerte lang. Bei schönem Wetter schob man sie in ihrem Armsessel ans Fenster, jenes, das zum Platz hinausging; denn sie hegte nun eine Abneigung gegen den Garten, und der Laden blieb auf dieser Seite immer geschlossen. Sie wollte das Pferd verkaufen; was sie früher gemocht hatte, missfiel ihr jetzt. All ihr Grübeln schien beschränkt auf die Sorge um sich selbst. Sie blieb für ihre kleinen Mahlzeiten im Bett, klingelte nach der Dienerin, um ihre Kräutertees zu verlangen oder mit ihr zu plaudern. Indessen warf der Schnee auf dem Dach der Markthalle einen reglosen weißen Glanz ins Zimmer; danach begann Regen zu fallen. Und Emma wartete täglich mit einer Art Beklommenheit auf die unfehlbare Wiederkehr winziger Ereignisse, obwohl sie ihr gleichgültig waren. Das bedeutendste war am Abend die Ankunft der Hirondelle . Dann schrie die Wirtin, und andere Stimmen antworteten ihr, während das Windlicht von Hippolyte, der auf dem Verdeck nach Truhen schaute, glomm wie ein Stern in der Finsternis. Mittags kam Charles zurück; anschließend ging er weg; dann löffelte sie eine Fleischbrühe, und gegen fünf, wenn es dunkel wurde, schlurften die Kinder, die von der Schule nach Hause gingen, mit ihren Holzpantinen übers Trottoir und schlugen alle nacheinander mit ihren Linealen gegen die Haken der Fensterläden.
    Um diese Stunde pflegte Monsieur Bournisien sie zu besuchen. Er fragte nach ihrem Befinden, brachte Neuigkeiten und mahnte sie zur Frömmigkeit bei diesem einschmeichelnden kleinen Schwatz, der nicht unerfreulich war. Schon allein der Anblick seiner Soutane erquickte sie.
    Eines Tages, auf dem Höhepunkt ihrer Krankheit, hatte sie sich im Sterben gewähnt und nach der Kommunion verlangt; und während man in ihrem Zimmer Vorbereitungen traf für das Sakrament, die mit Säften überladene Kommode zum Altar arrangierte und Félicité Dahlienblüten auf den Boden streute, spürte Emma, wie etwas Starkes über sie kam, das sie von ihren Schmerzen befreite, von jeder Wahrnehmung, jedem Gefühl. Ihr leicht gewordener Körper war keine Last mehr, ein anderes Leben begann; sie meinte, ihr zu Gott emporsteigendes Wesen müsse in dieser Liebe vergehen wie glimmender Weihrauch, der sich auflöst in Dunst. Die Bettlaken wurden mit Weihwasser besprengt; der Priester nahm die weiße Hostie aus dem Abendmahlskelch; und halb ohnmächtig vor himmlischer Freude öffnete sie die Lippen, um den Leib des Herrn zu empfangen, der sich ihr darbot. Die Vorhänge ihres Alkovens bauschten sich weich und wolkig um sie, und die Strahlen der zwei auf der Kommode brennenden Kerzen dünkten sie funkelnde Glorienscheine. Da ließ sie den Kopf zurücksinken, glaubte in den Sphären den Klang seraphischer Harfen zu vernehmen und, vor azurblauem Himmel auf goldenem Thron, umringt von Heiligen mit grünen Palmwedeln in Händen, Gottvater zu sehen in seiner glanzvollen Herrlichkeit, der ein Zeichen gab und Engel mit Flammenflügeln herniedersandte auf Erden, um sie fortzutragen in ihren Armen.
    Diese prächtige Vision blieb ihr im Gedächtnis als das Schönste, was man erträumen konnte; darum mühte sie sich nunmehr, die Empfindung festzuhalten, die immerhin andauerte, zwar weniger ausschließlich, doch mit ebenso tiefer Beglückung. Ihre vom Stolz wie geräderte Seele fand zuletzt Ruhe in christlicher Demut; und Emma genoss das Vergnügen, schwach zu sein, beobachtete an sich selbst die Zerstörung des Willens, welche der einfallenden Gnade weit die Tore öffnen sollte. Es gab also anstelle des Glücks größere Seligkeiten, eine andere Liebe über all den Liebeleien, ohne Brüche und ohne Ende, eine, die wachsen würde von Ewigkeit zu Ewigkeit! Sie erspähte zwischen den Illusionen ihrer Hoffnung einen Zustand der Reinheit, über der Erde schwebend und verschmelzend mit dem Himmel, nach dem sie lechzte. Sie wollte eine Heilige werden. Sie kaufte Rosenkränze, sie trug Amulette; sie wollte in ihrem Zimmer, am Kopfende des Bettes, einen smaragdgefassten Reliquienschrein, um ihn jeden Abend zu küssen.
    Der Pfarrer war entzückt über diese Geistesverfassung, obwohl Emmas

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