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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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wirst du dir noch die Haare abschneiden.«
    »Ihr Männer seid wirklich blind. Ich habe sie mir schon vor Monaten abgeschnitten – dezent!«
    »Und du verbringst zu viel Zeit mit Amerikanern …«
    »Ich verbringe Zeit mit den Gästen, die in mein Restaurant kommen.«
    »Weil sie Hackbraten und Apfelkuchen essen wollen!« Er schüttelte den Kopf. »Sie sollten Aal und Essigreis probieren. Du verrätst deine Kultur.«
    »Die armen einsamen gaijin , sie vermissen ihre Heimat, das Letzte, was sie brauchen, ist merkwürdiges fremdländisches Essen! Du bist so naiv, oniichan !«, zog sie ihn auf. »Ich habe gerade deswegen Erfolg mit meinem Restaurant, weil ich nicht Aal und Reis serviere. Sie sehen in mir eine Mischung aus einer amerikanischen Mommy und einer Geisha, die zu alt ist, um ihnen gefährlich zu werden. Ich liefere ihnen Geschichten, die sie mit nach Hause nehmen können, ich bin exotisch, aber keine Gefahr!«
    »Wie kannst du dich bloß mit dermaßen beschränkten Leuten abgeben?«
    »Weil sie mich amüsieren. Ich brauche nicht die ganze Zeit deine Ernsthaftigkeit. Bei dir ist immer alles wabi-sabi , Schönheit in der Traurigkeit der Dinge, das Unvollkommene …« Sie wechselte ins Englische, um das Wortspiel anzubringen, das sie von ihm gelernt hatte und er von den Japanern: »Es gefällt mir, wenn aus Gelassenheit Ausgelassenheit entsteht.«
    Dann kehrte sie ins Japanische zurück. »Früher einmal war es Tradition, dass Frauen im Bett Lederstrümpfe trugen – ich weiß allerdings nicht mehr, warum, vielleicht, damit sie glatte Füße bekamen. Vielleicht sollte es aber auch eine Strafe für ihre Ehemänner sein. Hättest du es gern, dass Suzuki sich bei ihrer nächtlichen Fußbekleidung an die Tradition hält?«
    »Im Grunde bestätigst du nur die Richtigkeit der alten japanischen Vorstellung von Mann und Frau«, erwiderte Henry milde, »ein Mann ist ein Kind in einer Rüstung und eine Frau ein Samthandschuh über einer eisernen Faust. Mögen mich die Götter vor eisernen Frauen bewahren!«
    In gespielter Verzweiflung rief Cho-Cho: »Suzuki, wie hältst du es bloß mit ihm aus?«
    »Weil er der perfekte Ehemann ist.« Auch Suzuki beherrschte das Spiel und verzog keine Miene. »Die Samurai waren der Ansicht, dass eine Frau zu ihrem Mann aufsehen soll, als wäre er ein Gott. Wer könnte an einem Gott etwas auszusetzen haben?«
    Sie erhob sich. »So, jetzt lasst uns essen.«
    Cho-Cho schüttelte den Kopf. »Ich muss in ein paar Minuten gehen. Ich habe einen neuen Koch – er könnte die Gäste vergiften.«
    Suzuki verließ den Raum, der dunkle Kimono, das angemessene Gewand für eine verheiratete Frau, verlieh ihrer stämmigen Gestalt eine gewisse Anmut.
    Henry hatte die westliche Uniform aus Anzug und Krawatte endgültig abgelegt: Seit er kein offizieller Repräsentant Amerikas mehr war, trug er nur noch japanische Kleidung. Er war, wie Cho-Cho es scherzhaft bezeichnete, zu einem Chamäleon geworden: Auf der Straße war er von den Einheimischen nicht zu unterscheiden, ein Ehemann, ein Vater.
    »Ein einfacher Einwohner von Nagasaki. Was würde deine Schwester dazu sagen!«
    Sie sah sich im Raum um, beschloss jedoch, Henry heute nicht damit aufzuziehen, wie traditionell er eingerichtet war. Hier verbrachte er viele stille Stunden damit, Berichte zu verfassen, um sein geliebtes Japan dem Rest der Welt nahezubringen, Erklärungen, die immer schwieriger wurden, als die anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit China zu dem führten, was die Japaner als »Zwischenfälle« bezeichneten und der Westen als Massaker verurteilte, als Kriegsverbrechen, unmenschliche Brutalität. Auch das war Teil der Tradition, der eiserne Griff, der sie alle gefangen hielt.
    Er brachte sie zur Tür, und sie genossen einen Augenblick die Aussicht. Das Haus der Sharpless’ lag zwischen Hügeln eingebettet in der Nähe des Glover-Hauses, dessen Dach über den Baumwipfeln gerade noch zu sehen war.
    »Erinnerst du dich, wie du mich vor all den Jahren hierhergebracht hast, um mir den Glover-Garten zu zeigen? Wie dumm ich damals war …«
    »Warum dumm?«
    »Weil ich einen amerikanischen Garten wollte.« Sie blickte auf die grüne Landschaft, die Henry und Suzuki geschaffen hatten, auf die Felsen und das Moos. »Das hier ist vollkommen. Die Wünsche der Jugend sind manchmal dumm, das gehört wohl zum Jungsein dazu.«
    Unausgesprochen: Sie hatte einen amerikanischen Garten gewollt, der zu ihrem amerikanischen Ehemann passte und zu

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