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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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wurde von Todesangst ergriffen. Ich bin getroffen, dachte sie, mein Gott, ich bin getroffen, und sie erwartete, zu Boden zu stürzen. Dann sah sie, dass sie durch ein Ananasfeld lief und ihr die rasiermesserscharfen Blätter in die Beine schnitten, die Haut aufschlitzten. Ihr Baumwollkleid war bereits blutdurchtränkt. Sie blieb stehen, kauerte sich zwischen die Pflanzen und blickte zum Himmel. Die Flugzeuge waren jetzt genau über ihr, pflügten mit ihren Maschinengewehrsalven die Straße um, zerfetzten die Karosserien der Autos. Dann drehten sie ab und nahmen wieder Kurs auf den Hafen.
    Der Angriff kam völlig unerwartet, und die Flotte war den Flugzeugen schutzlos ausgeliefert, als diese ihre Last abwarfen, eine Schleife flogen und zurückkehrten, um den Flugplatz und die vor Anker liegenden Schiffe ein weiteres Mal im Tiefflug zu bombardieren. Von einem – dem Schlachtschiff Arizona – stieg eine dunkelrot gefärbte Rauchsäule in den Himmel, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall und pechschwarzem Rauch, als das Pulvermagazin in die Luft flog. Wohin man sah, lagen brennende Schiffe mit gefährlicher Schlagseite im Wasser, heißer Dampf verbrannte die Männer, die schwimmend vor den Flammen zu fliehen versuchten und Mühe hatten, sich über Wasser zu halten.
    Jack fuhr mit einem kleinen Motorboot kreuz und quer durch das aufgewühlte Hafenbecken und hielt Ausschau nach Überlebenden inmitten der verbrannten und ertrunkenen Kameraden. Das Boot schaukelte wie eine Nussschale auf den Wellen auf und ab, von Explosionen in die Höhe geschleudert. Er versuchte, nicht in den Kugelhagel der Flugzeuge zu geraten, die im Tiefflug über den Hafen donnerten.
    Dann war plötzlich alles vorbei. Das japanische Geschwader flog eine letzte Schleife, drehte ab und zog hoch über den Wolken silbern schimmernd der Sonne entgegen. Zurück blieb eine demolierte amerikanische Flotte – fünf Schlachtschiffe, drei Zerstörer, drei Kreuzer und an die zweihundert Flugzeuge. Mehr als zweitausend Mann waren ums Leben gekommen.
    Danach war nichts mehr wie vorher: Der alte Kalender verlor seine Gültigkeit, der siebte Dezember war nicht länger ein Tag wie jeder andere, er wurde Pearl Harbor.
    Von Knistern begleitet, berichtete der Radiosprecher die Fakten. Zwischen fünfzig und hundert Flugzeuge von einem japanischen Flugzeugträger … Bomben … Schiffe versenkt … Zivilisten aus der Luft mit Maschinengewehren beschossen …
    Und nach den Nachrichten der Versuch einer Rückkehr zur Normalität, weiter im Programm: Aus dem Lautsprecher drang Stardust von Hoagy Carmichael.
    Louis erhob sich. »Ich sage es deiner Mutter. Sie fühlt sich da oben ausgeschlossen.«
    »Dad?«
    Er wandte sich um. Nancy deutete auf das Radio.
    »Ich glaube, das war’s.«
    Plötzlich sah er sehr müde aus. »Ja, das glaube ich auch.«
    Den ganzen Tag über wurde das Radioprogramm von aktuellen Berichten unterbrochen: Es folgen die neuesten Meldungen aus Pearl Harbor … Und jetzt zurück zu den schönsten Walzermelodien … schwere Schäden und viele Todesopfer auf Hawaii … Anschließend unterhält Sie André Kostelanetz … drei Schiffe gesunken, darunter die USS Arizona … ein Medley mit Banjomusik aus dem Süden … Kaum war die Musik ausgeblendet, existierte keine Normalität mehr: Japan hat erklärt, dass sich das Land seit Tagesanbruch im Krieg mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten befindet … Präsident Roosevelt bereitet eine Mitteilung an den Kongress vor.
    Über dem Hafen hingen dicke Rauchschwaden. Es roch nach verkohltem Holz und irgendetwas Metallischem, Beißendem. Rettungsmannschaften bargen verbrannte Leichen aus dem Wasser, brachten sie an Land und legten sie in langen Reihen ans Ufer, damit Verwandte oder Kollegen sie identifizieren konnten. Voller Verzweiflung suchte Lois nach Jack. Sein Boot war leer ans Ufer gespült worden.
    Jahre später, als dem Krieg Frieden folgte und das ganze Land in einem Freudentaumel die glückliche Heimkehr seiner Jungs feierte und auch Lois inmitten all der Fahnen und Konfettiparaden und Musikkapellen darauf wartete, Jack in die Arme schließen zu können, erinnerte sie sich an jenen Tag, an dem sie, beherrscht von der Angst, ihn verloren zu haben, an Reihen von Leichen entlanglief und die Gesichter musterte, die sich im Tod so ähnlich sahen, rußgeschwärzt, nass. Jacks Mutter hatte ihr Geschichten über das unglückliche Schicksal der Pinkerton-Männer erzählt: Einer von ihnen war im Schlamm

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