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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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eines Schützengrabens in Flandern umgekommen, ein anderer bei einem Aufstand in Washington in den Wassern des Anacostia ertrunken – ein gutaussehender Kerl, der Jack offenbar überhaupt erst auf die Idee gebracht hatte, zur Marine zu gehen –, und während ihr die Sorge das Herz abdrückte, hatte sie darum gebetet, dass ihr das in Flammen stehende Hafenbecken nicht auch ihren Mann genommen hatte.
    Dann der Schock, die unbeschreibliche Erleichterung, als sie Jack endlich sah und er nicht bei den Toten lag, sondern ihr auf zwei Beinen entgegenkam. Sie war auf ihn zugestürzt und hatte ihn fest umarmt, und er hatte lachend aufgeschrien und ihr erklärt, er habe Prellungen und Brandwunden, und ihr dabei die Tränen abgewischt.
    Montagmorgen. Nancy saß an ihrem Schreibtisch, vor sich einen Stapel Akten und Briefe, die über Nacht jegliche Bedeutung verloren hatten. Die Zeitungen brachten die unauslöschlichen Bilder dieses Tages: von Amateurfotografen aufgenommene Bomber, zerstörte, brennende Schiffe, Rauchsäulen, Flammen. Die Überschriften klangen wie das Klagelied eines griechischen Chors: Dieser Angriff hatte die ganze Nation in einen Schockzustand versetzt.
    Vom Flur her drangen laute Stimmen zu ihr, das Klingeln von Telefonen und das Geräusch hastiger Schritte. Eine junge Schreibkraft rief ihr im Vorbeilaufen durch die offene Tür zu: »Der Präsident spricht im Radio!«
    Man schrieb den 8. Dezember 1941, und der Präsident hielt eine Ansprache an die Nation, um zu verkünden, dass sich Amerika im Krieg mit Japan befand. Hinter den Worten, in dem aristokratischen Klang von Roosevelts Stimme, hörte Nancy noch etwas anderes, es erinnerte sie an einen Zug, der sich in Bewegung setzt und aus dem Bahnhof rollt, langsam Fahrt aufnimmt – Tausende von Zügen, Millionen; eine immer lauter werdende Kakophonie aus Fließbändern, dem Brummen von Maschinen in Werkshallen, die Uniformen ausspucken, dem Dröhnen von Munitionsfabriken, Transporten, marschierenden Männern, der Verladung von Proviant, dem Knirschen von Panzerketten, ratternden Propellern, den Geräuschen eines Landes, das mobilmacht. Die Depression war endgültig vorbei.

Kapitel 32
    NANCY HATTE ANGEFANGEN, sich hin und wieder einen Bourbon zu genehmigen. »Ich trinke nicht«, erklärte sie Louis, »das hat rein medizinische Gründe.« Eine Lucky Strike nach der Arbeit trug ebenfalls dazu bei, ihre Nerven zu beruhigen.
    In ihrer Schreibtischschublade lag ein in Nagasaki abgestempelter Brief, aber Amerika befand sich im Krieg mit Japan. Die heimliche Korrespondenz zwischen zwei Müttern hatte damit ein Ende. Mit dem Krieg geriet das Leben in Wartestellung.
    Was Joey betraf, so hatte er Cho-Cho, seine gleichgültige, gefühlskalte leibliche Mutter, nach dem ersten Brief aus seiner Erinnerung gelöscht. Zumindest hatte er das Nancy gegenüber behauptet.
    Sie saß in ihrem Sessel neben der Leselampe, nippte hin und wieder an ihrem Bourbon und dachte über das nach, was sie soeben gelesen hatte: die Worte eines seit Jahrhunderten toten französischen Aristokraten, dem zufolge die Furcht im Menschen seltsame Dinge anrichtete. Manchmal, so erklärte er, lasse sie ihn Fersengeld geben, manchmal lähme sie seine Füße und nagle sie am Boden fest. Und – nur der Respekt vor der gedruckten Seite hielt sie davon ab, diese Passage zu unterstreichen – kein anderer Erregungszustand bringe die Vernunft stärker aus der gewohnten Fassung. Nancy nahm noch einen Schluck Bourbon. Pearl Harbor hatte zweifellos den Beweis für diese Behauptung geliefert.
    Zunächst waren da einmal die Fakten: Amerika befand sich im Krieg. Dann die Angst, die Fragen: Würde es Luftangriffe auf Städte geben? Würden Brandbomben vom Himmel regnen, Torpedos vom Meer aus abgefeuert werden? Es gab Feueralarmübungen, Gasmasken wurden vorgeführt, wenn auch nicht verteilt, Sperrballons bereitgestellt, Verdunkelungen angeraten, Lebensmittelrationierungen in Betracht gezogen. Sie hatte die Bilder in der Zeitung gesehen, die zerstörten Schiffe, die sich in das Gedächtnis der Nation eingebrannt hatten, Zeugnis einer bislang nicht für möglich gehaltenen Verwundbarkeit. Paranoia machte sich breit, flüsterte, der Feind sei überall.
    Neun Jahre zuvor, als Nancys Held als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt worden war, hatte sie in ihrer gestochenen Handschrift die Worte seiner Antrittsrede – Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst – aufgeschrieben und an die

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